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Human Security Network

Erstellt am 03.03.2003 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 3326 mal gelesen und am 13.07.2010 zuletzt geändert.

* Fred Tanner, Genf erlegte aus wissenschaftlicher Sicht das Verhältnis von Menschliche Sicherheit – neuer Diplomatie?

Botschafter Peter Maurer stelle in der NZZ vom 2. 12. 02 die Entwicklung des Konzeptes der menschlichen Sicherheit dar und würdige die schweizerischen Leistungen im Rahmen des entsprechenden Netzwerkes innerhalb der Vereinten Nationen. Tanner beleuchtet in seinem Beitrag die Thematik aus akademischem Blickwinkel. Er stellt sie in ein weiteres sicherheitspolitisches Umfeld und geht der Frage nach: inwiefern dieses neue Konzept langfristig der Aussenpolitik nützlich sein kann. Er nimmt dazu das Beispiel der Schweiz.

Der Politikbegriff «menschliche Sicherheit» habe sich in den letzten Jahren auf dem internationalen Parkett etabliert. „Doch nach wie vor besteht ein Bedürfnis nach Begriffsklärung, da das Konzept unscharf definiert ist“. Handelt es sich um

  • eine «Vermenschlichung der Sicherheit» oder um
  • eine sicherheitspolitische «Umarmung» der menschlichen Verwundbarkeit in der heutigen Welt?Die «klassische» „Sicherheitspolitik“ sei in den letzten 15 Jahren konzeptuell auf nichtmilitärische Bereiche erweitert worden. Außerdem habe man sie vertieft durch Einbeziehung gesellschaftlicher und nichtstaatlicher Akteure.Der Ursprung des Begriffs der menschlichen Sicherheit

    Sicherheit gehe auf die in den neunziger Jahren wachsende Überschneidung von „Sicherheitspolitik“, „Entwicklungshilfe“ und „Gouvernanz“ zurück. Der Zusammenhang zwischen menschlicher Sicherheit, menschlicher Entwicklung und Menschenrechten werde vor allem durch „internationale Organisationen“, „Entwicklungsorganisationen“ und „humanitäre Akteure“ hervorgehoben. Die Globalisierung der menschlichen „Unsicherheit“ ist verknüpft mit „Armut“, sozialwirtschaftlicher „Ungerechtigkeit“ und kriegerischen Auseinandersetzungen.

    Die Schweizer Aussenpolitik

    Sie habe sich laut Tanner geschickt in diesem dynamischen entwicklungspolitisch-humanitären Umfeld positioniert.

    Problematisierung des Staates

    Eine direkt auf Personen ausgerichtete Politik, die sich als Alternative zur nationalen Sicherheitspolitik sieht, berührt die Frage der Souveränität. Viele westliche Staaten argumentieren, dass die Verantwortlichkeit zum Schutz der eigenen Bevölkerung nicht mehr eine ausschliesslich nationale Angelegenheit ist. Die Gefahr besteht hierbei, dass die Politik der menschlichen Sicherheit von usurpatorischen Staaten als eine weitere Strategie der Einmischung des Nordens in der Dritten Welt abgetan wird. Deshalb darf diese nicht ausschliesslich auf humanitäre und zivilgesellschaftliche Bedürfnisse setzen, weil die Festigung von staatlichen Institutionen eine Voraussetzung für die Freiheit und Sicherheit von Menschen ist.

    Verschiedene Initiativen versuchen gegenwärtig, die Rolle des Staates im Bereich der menschlichen Sicherheit mit Hilfe des

    Index der menschlichen Sicherheit

    besser messbar zu machen. Dieser Index, der ab 2003 in einem auch von der Schweiz unterstützten Jahrbuch veröffentlicht werden soll, ist als Ergänzung zum Uno-„Index der menschlichen Entwicklung“ gedacht. Er soll eine Grundlage zum Benchmarking von Staaten in der Gewährleistung der menschlichen Würde, Sicherheit und Entwicklung bieten.

    Debattierklub oder Lobbygruppe?

    Das Konzept der menschlichen Sicherheit beruht auf einem elastischen Begriff, der sich für politische Zwecke ausgezeichnet eignet. Das Human Security Network (HSN) erlaubt jedem Mitglied, seine eigenen Prioritäten zu setzen – von Aids über Kleinwaffen, Menschenrechtserziehung oder Minen bis zu Fragen von «Corporate Social Responsibility». Damit besteht jedoch die Gefahr, dass das Netzwerk zum reinen Debattierklub wird. Auch wird die Agenda unter jedem neuen Vorsitz erweitert, da dieser eigene Schwerpunkte definieren kann. Die Einigung auf ein gemeinsames Aktionsprogramm und der Auftritt als einheitliche Lobbygruppe in internationalen Organisationen werden dadurch erschwert. So war das HSN nicht in der Lage, an der Uno-Konferenz über Kleinwaffen im Jahr 2001 eine einheitliche Position einzunehmen.

    Der österreichische Vorsitz

    … hat den Ehrgeiz, die Politik der menschlichen Sicherheit von einem Konferenzmechanismus auf Ministerebene in einen Prozess umzuwandeln, der auf «working level» auch zwischen den Treffen anhält.

    Genf

    soll durch die dort angesiedelten Uno-Missionen als Kontaktstelle für internationale Organisationen und für Nichtregierungsorganisationen dienen. Eine solche Operationalisierung der «neuen Diplomatie» gestaltet sich effizienter, birgt aber aufgrund des Fehlens einer einheitlichen Zielsetzung die Gefahr, auf Schleuderkurs zu geraten.

    Wie wichtig ist heute der Bereich der menschlichen Sicherheit für die schweizerische Sicherheitspolitik?

    Bis anhin hat sich die Schweiz aus einem aussenpolitischen Blickwinkel mit dem Konzept beschäftigt, nicht aber aufgrund sicherheitspolitischer Überlegungen, also nicht aus VBS-Perspektive. In der Zukunft könnte die menschliche Sicherheit allerdings eine wichtige Ergänzung zur «nichtmilitärischen Dimension» der Sicherheitspolitik werden, vor allem wenn die Sicherheit als ein einziges Kontinuum von der Einzelperson bis zum Staat verstanden werden soll. Die Federführung durch das EDA lässt die Frage offen, wieweit das VBS oder die Deza mit der Politik der menschlichen Sicherheit vernetzt sind. Innerhalb der Schweizer Aussenpolitik muss zudem abgeklärt werden, wieweit und wo der Schwerpunkt auf humanitäre Bereiche anstelle von Konfliktprävention oder regionalem Wiederaufbau gesetzt werden soll. Gewisse Themen der menschlichen Sicherheit (oder Aids-Bekämpfung) beziehen sich a priori auf „Afrika“ und nicht auf die seitens der Schweiz festgelegte Schwergewichtsregion „Südosteuropa“.

    Eingehen auf konkrete „Bedürfnisse“

    Das „Konzept der menschlichen Sicherheit“ ist zum Aushängeschild der neuen „Diplomatie“ der Schweiz geworden, welche auf einer engen Zusammenarbeit zwischen politischen Entscheidungsträgern und Akteuren der Zivilgesellschaft beruht. Die schweizerische „Aussenpolitik“ hat es verstanden, dieses Etikett zu benutzen, um ihr Engagement auf dem Gebiet der Kleinwaffen, Personenminen und in anderen humanitären Bereichen international zu fördern. Der Vorteil des Netzwerkes liegt zweifellos darin, dass verschiedenartige Themenbereiche, die sonst rasch von der politischen Bildfläche verschwinden würden, weiterhin auf der Traktandenliste verbleiben. Die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Regierungen lässt sich in einem derart gestalteten Netzwerk viel einfacher verwirklichen.

    Bei dieser positiven Bilanz seien die folgenden Punkte zu beachten:

    „Der Begriff der menschlichen Sicherheit darf nicht durch eine zu weit gefasste Auslegung seine politische Nützlichkeit verlieren. Die Schweiz hat darauf zu achten, dass ihre Politik der menschlichen Sicherheit auch konkret auf die sozial- und entwicklungspolitischen Bedürfnisse der Partnerstaaten der Dritten Welt eingeht, um nicht als Prediger einer postmodernen Weltanschauung wahrgenommen zu werden. Eine solche Orientierung würde auch eine stärkere Einbindung der Deza voraussetzen. Schliesslich muss die Nachhaltigkeit der Politik der menschlichen Sicherheit durch ein glaubwürdiges und operationelles Netzwerk gewährleistet werden. Dies sollte nicht zuletzt – wie im Bereich der Kleinwaffen – auch mittels des geplanten Jahrbuches geschehen“.

    * Fred Tanner ist stellvertretender Direktor und akademischer Leiter des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik.

    Vgl. Neue Zürcher Zeitung, Ressort Inland, 13. Januar 2003, Nr.9, Seite 8

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