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Stellt die Friedensfragen!

Predigt bei den Friedensgottesdiensten zum Internationalen Antikriegstag 2003

Erstellt am 12.03.2003 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 3412 mal gelesen und am 08.07.2010 zuletzt geändert.

Amstetten 15./16.2.2003

Kaplan Franz Sieder

Liebe Freundinnen! Liebe Freunde!

Heute hat es auf der ganzen Welt Demonstrationen gegen den Irakkrieg
gegeben
. Ich möchte jetzt bewusst versuchen, diese momentane weltpolitische Situation mit den Augen des Glaubens anzuschauen und zu deuten.

Jesus hat den Menschen von damals zugerufen – so haben wir es im Evangelium gehört:

„Ihr Heuchler, das Wetter wisst ihr zu deuten, warum deutet ihr nicht die Zeichen der Zeit“.

Jesus möchte, dass wir die politische Wirklichkeit von
heute im Licht des Evangeliums deuten. Da wird uns vom amerikanischen Präsidenten Bush gesagt, dass es im Irak einen bösen Diktator, namens Saddam Hussein gibt, der sein eigenes Volk unterdrückt und der durch seine angeblichen Massenvernichtungswaffen eine Gefahr für die ganze Menschheit
bedeutet.

Saddam Hussein ist zweifellos ein böser Diktator – er hat das Leben von tausenden Kurdinnen und Kurden auf seinem Gewissen, die er einfach abschlachten ließ. Ob er Massenvernichtungswaffen hat, das muss mehr als bezweifelt werden. Atombomben hat er ganz sicher nicht. Eine Tatsache ist, dass das irakische Volk in den letzten zehn Jahren sehr gelitten hat durch die Wirtschaftssanktionen, die ihm nach dem Golfkrieg durch die UNO
auferlegt wurden. ExpertInnen sagen, dass diese Sanktionen im Irak einer Million Menschen das Leben gekostet hat – vor allem sind in den letzten Jahren im Irak viele Kinder verhungert. Diesem leidgeprüften Volk möchte nun Präsident Bush den Krieg erklären. Er möchte mit den Bomben, die über dem Irak abgeworfen werden, mindestens noch eine weitere Million Menschen töten.

Es ist offensichtlich, dass es nicht die erste und entscheidende Absicht von Präsident Bush ist, aus dem Irak ein demokratisches Land zu machen und die Menschen von einem bösen Diktator zu befreien. Seine wahre Absicht ist eine
andere. Präsident Bush ist von der Habsucht getrieben. Er weiß, dass der Irak das zweitreichste Ölland der Welt ist. Er möchte billiges Öl haben und so den Irak zu einer Art US-amerikanisches Protektorat machen. Wenn der Irak kein Öl hätte, dann wäre ihm der Diktator Saddam Hussein völlig egal. Das
ist der erste Grund, warum die USA den Krieg im Irak wollen.

Der zweite Grund ist zweifellos die Rüstungslobby. Mit der Rüstungslobby kann man viel Geld machen und mit der Rüstungsindustrie wird auch die Wirtschaft wieder
angekurbelt. Die Rüstungsindustrie und überhaupt die ganze Wirtschaft ist wie ein goldenes Kalb, das angebetet wird.

Als es vor einem Jahr in den USA darum ging, das sogenannte Kyoto-Abkommen zu ratifizieren, da hat Präsident Bush gesagt: „Ich werde nie etwas tun, was der Wirtschaft schadet.“ Bei diesem Abkommen ging es darum, den Ausstoß von Kohlendioxyd zu reduzieren,
damit die ökologische Zerstörung unserer Welt eingebremst wird. Präsident Bush führt sehr oft das Wort Gott in seinem Mund. Er hat sogar nach dem 11. September gesagt, dass Gott möchte, dass sie jetzt Rache üben.

Gott will aber von Herrn Bush weder, dass er Rache übt, noch dass die Wirtschaft anbetet, der es sehr offensichtlich nur um die Gewinnmaximierung geht und nicht um den Menschen. Die Wirtschaft ist in sich nichts Schlechtes, aber die Aufgabe der Wirtschaft ist es, dem Menschen zu dienen und nicht umgekehrt.

Die Rüstungsindustrie ist für mich schon in sich etwas Schlechtes, weil hier die sogenannten Massenvernichtungswaffen produziert werden. Es ist eine riesige Industrie, deren Ziel nur das Töten von Menschen ist. Wenn die Gelder, die in die Rüstungsindustrie fließen für die Bekämpfung des Hungers in der Welt verwendet würden, dann gäbe es keine
hungernden Menschen mehr auf der Welt. Rüstung tötet auch ohne Krieg. Jesus
hat der Habsucht und der militärischen Gewalt eine klare Absage erteilt. Er
sagte: Du kannst nicht zugleich Gott dienen und dem Mammon. Ich bin
überzeugt, dass Präsident Bush nur dem Mammon dient – auch wenn er sich mit
einem religiösen Flair umgeben möchte und so tut, als ob es ihm nur darum
geht, ein Volk von einem bösen Diktator zu befreien. Jesus hat die Pharisäer
demaskiert und ihre Verlogenheit aufgedeckt. Es ist auch unsere Aufgabe dem
Herrn Bush zu demaskieren und seine Verlogenheit offenzulegen. Für mich ist
es auch verlogen, wenn einer einen anderen anprangert, weil er
Massenvernichtungsmittel besitzen soll – er empfindet es aber als eine
Selbstverständlichkeit, dass er die meisten Massenvernichtungsmittel der
Welt hat.

Ich bin für Abrüstung und ich bin dafür, dass kein Land der Welt Massenvernichtungswaffen haben soll – es entbehrt aber jeglicher Logik, dass es für den Irak verboten ist, Massenvernichtungswaffen zu haben – aber für
die USA und England ist das selbstverständlich erlaubt.

Nach dem Völkerrecht wäre ein Krieg in zwei Fällen erlaubt.

Der erste Fall ist, dass sich ein Staat verteidigen darf, wenn er angegriffen wird und der zweite Fall heißt: Der UN-Sicherheitsrat kann eine Ermächtigung zur Kriegsführung aussprechen, um den Weltfrieden und die internationale
Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen. Nach diesen Grundsätzen wäre der drohende Irakkrieg ein eindeutiger Verstoß gegen das Völkerrecht. Das Völkerrecht ist aber nicht die ethische Maxime für uns Christinnen und
Christen.

Die christliche Soziallehre sagt uns sehr deutlich, dass heute ein Krieg kein Mittel mehr sein kann, um Konflikte zu lösen. Die Zerstörungskraft der Waffen ist so gewaltig geworden, dass ein Krieg unkontrollierbar geworden ist und jederzeit einen Flächenbrand auslösen kann, der Millionen von Menschen das Leben kostet. Die Welt muss lernen, Konflikte anders zu lösen als mit Krieg.

Der große Theologe und Religionsphilosoph Martin Buber sagt: „Der Krieg hat von je einen Widerpart, der fast nie als solcher hervortritt, aber in der Stille sein Werk tut: Die
Sprache – die erfüllte Sprache – die Sprache des echten Gesprächs, in der Menschen einander verstehen und sich miteinander verständigen. Es liegt im
Wesen des primitiven Krieges, dass er jeweils da beginnt, wo die Sprache aufhört.“
Die Sprache des Herrn Bush ist nur die Sprache der Waffen und diese Sprache ist ganz und gar gegen den Geist des Evangeliums.

Jesus hat zu Petrus gesagt:

„Stecke Dein Schwert in die Scheide.“ Jesus hat uns sogar
aufgefordert zur Feindesliebe. Unter Feindesliebe hat Jesus nicht verstanden, dass ich meine Feinde gern haben muss – das geht ja auch gar nicht, weil ich ja meine Gefühle nicht vergewaltigen kann. Die Feinde zu lieben heißt aber, dass ich einen grundsätzlichen Respekt vor jedem Menschen habe – dass ich ihn / sie als Menschen achte und auf keinen Fall das Recht
habe, ihn / sie zu töten. Wirklicher Friede ist erst dann möglich, wenn ich nicht nur eine Sensibilität habe für die Leiden des eigenen Volkes, sondern auch für die Leiden des Feindes.

Solange die Israelis und PalästinenserInnen gegenseitig nur auf Rache und Zerstörung aus sind – drehen sie die Spirale der Gewalt nur weiter und ein wirklicher, dauerhafter Friede wird nicht möglich sein.

Wirklicher dauerhafter Friede ist auch nur möglich auf der
Basis der Gerechtigkeit. Es gibt viele Unruheherde auf der Welt, weil ungerechte Zustände herrschen – weil oft eine kleine Minderheit von Reichen glaubt, dass sie sich alles unter den Nagel reißen kann, während Millionen von Menschen zum Dahinvegetieren verurteilt sind.

Auch der sogenannte Terrorismus ist nicht ein Teorrorismus aus reiner Willkür, sondern meistens wollten die Terroristen durch ihre terroristischen Handlungen auf ungerechte Zustände aufmerksam machen. Friede kann dann nicht die sogenannte „Pax americana“ schaffen – wenn die USA mit ihrer militärischen Dampfwalze
drüberfährt, – ein dauerhafter Friede kann nur ein Werk der Gerechtigkeit sein.

Der Friedensbegriff aus dem Geist des Evangeliums ist eine
fortschreitende Realisierung der demokratischen und sozialen Grundrechte aller Menschen.

Die Kirche war in ihrer 2000jährigen Geschichte in ihrem Handeln nicht immer auf dem Boden der Friedensgesinnung Christi.

Der Papst hat aber zur Jahrtausendwende auch diesbezüglich ein Schuldbekenntnis abgelegt und der alte und kranke Papst hat auch jetzt zum drohenden Irakkrieg sehr klare und mutige Worte gefunden. Er hat aufgerufen, dass die Fackeln der Gewalt gelöscht werden sollen und dass der Krieg nie wieder ein Mittel für Konfliktlösung sein darf. Ich würde mir wünschen, dass in diesen
Tagen alle Bischöfe den selben Mut zeigen wie Papst Johannes Paul II.

Bei den Demonstrationen wurden heute auf der ganzen Welt Transparente getragen, wo es heißt: „Stoppt den Krieg!“ Die meisten Menschen auf unserer Welt sind gegen diesen Krieg.

  • Warum erheben wir uns so zaghaft?
  • Warum ist unser Protest oft nur ein halbherziger Protest?
  • Warum sind so viele, die zwar innerlich gegen den Krieg sind, nach außen nur Zuschauerinnen und Zuschauer im Weltgeschehen?
  • Warum wurde auch damals dem Hitler nicht mehr Widerstand geleistet?Papst Johannes Paul II. hat in Auschwitz gesagt:“Für den Krieg sind nicht nur die verantwortlich, die ihn unmittelbar hervorrufen, sondern auch die, die die nicht alles, was in ihrer Macht steht, tun, um ihn zu verhindern.“

    Und von Albert Einstein stammt der Satz:

    „Die Welt wird nicht bedroht von denen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen.“

    Wenn wir jetzt einen Friedensgottesdienst feiern und anschließend noch zu einer Friedenskundgebung auf den Hauptplatz gehen, dann ist das einerseits eine Bitte an Gott, dass er uns hilft, diesen drohenden Krieg abzuwenden.

    Der Gottesdienst und die Kundgebung ist aber auch unser Protest gegen den Krieg – er ist unser Nein zum Krieg und unsere Bereitschaft, dass wir mit unseren bescheidenen Möglichkeiten Friedenstifterinnen und Friedensstifter
    sein möchten.

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