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Revolutionäre Friedensarbeit in Afrika

Erstellt am 09.09.2003 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 2152 mal gelesen und am 14.04.2012 zuletzt geändert.

Die Wienerin Hildegard Goss-Mayr ist die Ehrenpräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes. Dieser Bund ist die wohl wichtigste gewaltfreie ökumenische Friedensorganisation. Ende April 2003 lag Afrika, der derzeit konfliktträchtigste Kontinent der Erde, im medialen Schatten des Irakkrieges. Das Gespräch in Wien Hernals ist, nach den jüngsten, hauptsächtlich militärisch dotierten, ‚Friedensplänen’ der Großmächte in Afrika hochaktuell.

Wann warenSie das erste Mal in Afrika?

GM:
In ‚Afrika‘ habe ich in einigen frankophonen Regionen gearbeitet, denn Madagaskar bezeichnet sich nicht als Afrika.
Die Arbeit, die ich seit 1992 im Rahmen des Versöhnungsbundes in Afrika geleistet habe, bezieht sich hauptsächlich auf Seminare zur Schulung der gewaltfreien Überwindung von Unrechtssituationen’. Da der Versöhnungsbund diese Arbeit seit vielen Jahren tut, werden wir von entsprechenden Gruppen, für die Erarbeitung von Schulungen angefragt. Dabei gehen wir immer von der Lage vor Ort aus. Wir schauen auf die, bereits in den Volksgruppen vorhanden, Erfahrungen mit Gewaltfreiheit. Es ist mir sehr wesentlich darauf aufzubauen. Auch, wenn die es in ihrer Tradition nicht so benannt haben. Wir versuchen, Hebammendienste zu leisten. Gewisse Konzepte sind bereits bewusst, die entwickeln wir weiter.

Wie geeignet sind diese Ansätze für Zentralafrika?

GM:1993 waren wir in Ruanda – eingeladen von ‚Justicia et Pax’, einer Kommission, die sich für die Arbeit für Gerechtigkeit und Gewaltfreiheit einsetzt. Es gab also bereits Erfahrungen. So kamen wir zu dem Schluss, dass ein großangelegter öffent-licher Versuch gemacht werden muss um die ethnischen Schranken zwischen Hutu und Tutsi zu durchbrechen. Wir haben gemeinsam für den 1. Januar 1994 eine Veranstaltung im Stadion von Kigali geplant. Man präsentierte dort, wie Martin Luther King, den Traum von Gerechtigkeit. Dadurch war ein großer Anfang gemacht. Aber, in Ruanda kamen wir zu spät. Wir waren noch ein paar mal in Ruanda. Die Arbeit wird zur Zeit fortgeführt, von einer Gruppe, die eine Zeit-schrift für Gewaltfreiheit herausgibt: „Der Preis der für den Frieden zu bezahlen ist“. Es gibt auch ein Buch, das in der ganzen Region Verbreitung findet: Aktive Gewaltfreiheit wagen – Eine Kraft im Dienst des Friedens.

Gibt es bekannte Köpfe in der gewaltfreien Bewegung Ruandas?

GM:
Ja, beispielsweise Alfred BOUR, den Herausgeber des ge-nannten Buches. Da das Internet in Ruanda kaum funktioniert, ist dieses pädagogische Handbuch, in Französisch, für die Schulung in Gewaltfreiheit, mit seinen afrikanischen Beispie-len und in einer einfachen Sprache, sehr wichtig. Es werden, Teile daraus übersetzt und herausgegeben – beispielsweise in Kirundi.

Gibt es einheimische Ansprechpartner direkt in Ruanda?

GM:
Ja, zum Beispiel, das Team, das die Zeitschrift herausgibt. Da ist Bour nur mehr Berater. Die arbeiten stark im Team – Sozi-alarbeiter und Leute, die sich für Versöhnung einsetzen und auch einen Beitrag zur Demokratisierung leisten wollen. Es wird noch eine Generation, oder noch mehr, brauchen bis in Ruanda Versöhnung möglich ist.

Angeblich wurde in Ruanda über christliche Sender Hass geschürt?

GM:
Das kann man nicht so sagen, denn der Staat war in Händen einer Diktatur, die diesen Hass betrieben hat. Ihre gesamten Programme waren in diese Richtung. Die Haltung der Christen war sehr unterschiedlich. Es kann sein, dass sich manche fangen ließen. Wo Armut ist, da spielt die Bestechung eine große Rolle. Es hat aber gerade auch von christlichen Gruppen Widerstand gegen den Hass gegeben.

Ruanda, ein Beispiel, wo gewaltfreier Widerstand nicht allzu erfolgreich war.
Sie haben aber sehr erfolgreich auf den Phillipinen und in Madgaskar gearbeitet. Dort gelang es, die Diktaturen gewalt-frei zu beenden.

GM:In Ruanda wäre es nicht unmöglich gewesen. Wir sind zu spät gekommen, gewaltfreier Widerstand muss systematisch aufge-baut werden. Das war, vier Monate vor dem Genozid, nicht mehr möglich.
Madagaskar war anders. Dort blieben die Ereignisse der Phil-lipinen, die gewaltfreie Beendigung der Diktatur, nicht ohne Wirkung. Mein Mann und ich haben dort mitgeholfen Leute zu schulen, die den Widerstand geleistet haben. Die haben dann darüber gesprochen. Was in Afrika in verschiedenen Ländern auf großes Interesse stieß. Der Benediktiner Ravoavy, aus Madagaskar, hörte einen Vortrag von uns in Frankreich. Er sagte: Was die konnten auf den Phillipinen, das müssen wir auch können.

Wie lange war die Vorlaufzeit für den gewaltfreien Wider-stand auf den Phillipinen? In Madagaskar waren es anschei-nend nur einige Monate?

GM:In Madagaskar war das schon länger. Denn, die „Force Vive“ hatten zwei Jahre vorher, unter den ganz schwierigen Bedin-gungen, wichtige Vorarbeiten geleistet. Sie nutzen kirchliche Veranstaltungen, um sich zu artikulieren, den Zusammen-schluss zu organisieren und eine verantwortliche Leitungs-struktur zu erarbeiten. Der Widerstand hat sich also in einer längeren Zeit formiert. Er wurde aber erst knapp vor Beginn des Widerstandes in Gewaltfreiheit geschult.

Auf den Phillipien wurden wir eineinhalb Jahre vor der soge-nannten ‚Rosenkranzrevolution’ eingeladen. Wir haben die Situation studiert und sind gereist, um zu erfahren, ob die Menschen wirklich gewaltfreien Widerstand wollen? Es gab ja eine Guerillabewegung, die keinen anderen Weg sah als die Gewalt. Wir sprachen mit den verschiedenen Trägern der Bevölkerung.

Das Erfolgsmuster des gewaltfreien Widerstandes scheint immer gleich zu sein?

GM: Ja, ich glaube, dass nur Menschen an uns herantreten, die in schweren Konfliktsituationen auf gewaltfreie Arbeit setzen.
Beispielse weise im Kongo hatte der Versöhnungsbund eine lange Tradition. Ein belgischer Mitarbeiter half bei der Entko-lonialisierung. Jean Van Lierde hat eine Zeit lang Lumumba in Gewaltfreiheit geschult. Mein Mann wurde 1986 und 89 eingeladen. Diese Leute haben, unter Mobutu, sehr viel ge-wagt. Aus seinen Seminaren haben sich gewaltfreie Gruppen gebildet.

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Bei einem der frankophonen Gipfel, erklärte Frankreich, dass es die Demokratie in Afrika unterstützen wolle. Es kam in verschieden Staaten zu entsprechenden Bewegungen. Sie bündelten die Kräfte der Demokratie und des Widerstandes. Im damaligen Zaire wurde eine Konferenz abgehalten. Es wurden Demokratisierungsschritte beschlossen. Mobuto hat sich aber nicht daran gehalten. Deshalb wurde von den Grup-pen, die mein Mann ins Leben gerufen hatte, 1992 ein „Marsch für Frieden und Hoffnung“ in der in Kinshasa durchgeführt. Tausende Leute strömten aus den Kirchen und haben demonstriert. Eine der leitenden Kräfte sagte: ‚Heute ist das neue Zaire geboren, weil die Menschen den Mut hatten, sich auf der Straße dafür zu bekennen’.

Jean hat dann, in der Stadt Luvumbashi gearbeitet. Das liegt in einem der grundstoffreichsten Gebiete. Vorallem Kupfer und Kobalt findet sich dort und Coltan – ein Metall gebraucht wird in Handyakkus. Dann wurde der ganze Norden des Kongo wurde besetzt, teilweise mit ausländischer Unterstützung. In den letzten Jahren sind rund zwei Millionen Menschen bei bewaffeneten Konflikten im Kongo ums Leben gekommen. Es war und ist sehr schwer Friedensverträge abzuschließen. Ihre Durchsetzung ist bis heute ein Probelem.

In Luvumbaschi wurde aber gewaltfreier Widerstand kulti-viert, von einer Gruppe, die auch von meinem Mann belebt wurde. Sie leistet seit 13 Jahren gewaltfreien Widerstand. Eine Erfahrung war, ganz wichtig für Sie: In Luvumbashi wird Kupfer abgebaut. In den 90er Jahren brach der Kupferabbau zusammen. Die Leute, die von anderen Provinzen in die Regi-on gekommen waren, sollten vertrieben werden. Der Gover-neur befürchtete, dass es zu großen Massakern kommt.
Die gewaltfreie Gruppe, die Mitglieder aus beiden Ethnien umfasste, ist zu Führern der christlichen und moslemischen Religionen gegangen und sagte: Sie müssen öffentlich Stellung nehmen! Sie sollten sagen dass: das Leben jedes Menschen heilig ist; Allah der Gütige, das genauso verlangt wie der Gott der Christen; das Grundrecht auf Leben gesichert werden muss.
Die Leute sind dort alle gläubig. Es gelang die Kirchenführung und auch die Verwaltung zu überzeugen. Wo die religiösen Führer das eindeutig aussprachen, Töten und Massaker verur-teilten, konnten diese verhindert werden. Diese moralische Unterstützung reichte. Die Leute der gewaltfreien Bewegung, die als Arbeitslose am verhungern waren, besetzten gewaltfrei brachliegendes Land in einen Außenbezirk. Dort waren Mili-tärs stationiert, aber die Soldaten – Söhne armer Leute – wuss-ten was der Hunger ist. Es wurde verhandelt: ‚Wir müssen dieses Land bebauen, damit die Menschen überleben können’. Die Militärs gaben nach. Die Leute, aus den ethnischen Grup-pen, begannen das Land zu bebauen. Dieses Land ist sehr fruchtbar. Man kann dreimal im Jahr ernten. Sie haben in dieser gemeinsamen Arbeit den künstlich erzeugten Rassenhaß zum Abbruch gebracht. In der ganzen Region kam es zu kei-nen Massakern. Heute ist rund um Luvumbashi ein grüner Gürtel, wo auch Lehrer nach der Arbeit das Land bestellen. Die Hungersnot konnte in hier besser abgefangen werden wie im restlichen Kongo. Das sind kleine aber konkrete gewalt-freie Beiträge einer Gruppe, mit vielleicht 100 Mitgliedern, zur inneren Versöhnung im Kongo.

Das Gespräch führte Andreas H. Landl

 

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