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Katastrophale Mängel bei Kontrolle des Handels mit Überwachungstechnologie

Erstellt am 05.10.2023 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 2012 mal gelesen und am 05.10.2023 zuletzt geändert.

Überwachungstechnologie: Untersuchung „Predator Files“ enthüllt katastrophale Mängel bei Kontrolle des Handels mit Überwachungstechnologie

Hochinvasive Spionagesoftware in 25 Länder verkauft, darunter auch Österreich.
Auch nach Pegasus-Enthüllungen: EU-Regulierung der Überwachungsindustrie weiterhin unwirksam Überwachungsfirmen machen Millionengewinne auf Kosten der Menschenrechte

Wien (5. Oktober 2023) – Eine neue Untersuchung durch das Mediennetzwerk European Investigative Collaborations (EIC) mit technischer Unterstützung des Security Lab von Amnesty International beleuchtet die globale Überwachungskrise. Sie enthüllt die erschreckende Wahrheit darüber:

* wie weit verzweigt sich die Überwachungsindustrie ausgebreitet hat und
* wie unwirksam die EU-Regulierung bei ihrer Kontrolle bislang ist

Die Recherche mit dem Titel „Predator Files“

Sie konzentriert sich auf die Firmengruppe Intellexa Alliance – einen komplexen Zusammenschluss von Softwareanbietern – und deren hochinvasive Spionagesoftware namens „Predator“.

Diese Spähsoftware und ihre Varianten unter anderen Namen können auf unkontrollierte Datenmengen auf Geräten zugreifen. Sie kann derzeit nicht unabhängig überprüft oder auf Funktionen beschränkt werden, die für einen bestimmten Zweck und ein bestimmtes Ziel notwendig und angemessen sind.

Die Überwachungssoftware Predator kann in ein Gerät eindringen, wenn:

  • die*der Nutzer*in auf einen manipulierten Link klickt, die Software
  • kann aber auch durch taktische Angriffe übertragen werden, die unbemerkt Geräte in der Nähe infizieren. 

Die Spionage-Produkte der Intellexa Alliance

Sie wurden in mindestens 25 Ländern in Europa, Asien, dem Nahen Osten und Afrika gefunden und wurden zur Aushöhlung

  • der Menschenrechte
  • der Pressefreiheit und
  • sozialer Bewegungen

auf der ganzen Welt eingesetzt. Zu den Ländern, in die die Software verkauft wurde, gehören nach den Erkenntnissen des EIC-Mediennetzwerks auch

  • Österreich ebenso wie die
  • Schweiz und
  • Deutschland.

Weitere Kunden sind

  • Oman
  • Katar
  • die Republik Kongo
  • Kenia
  • die Vereinigten Arabischen Emirate
  • Singapur
  • Pakistan
  • Jordanien und
  • Vietnam. 

Handel mit invasiven Überwachungsprodukten ohne wirksame Regulierung durch die EU

Die Intellexa Group wurde 2018 von Tal Dilian, einem ehemaligen israelischen Armeeangehörigen, und mehreren seiner Kolleg*innen gegründet und wird von der Holdinggesellschaft Thalestris mit Sitz in Irland kontrolliert. Die Intellexa Alliance vereint die Intellexa-Gruppe mit dem Nexa-Konsortium, das hauptsächlich von Frankreich aus operiert. Das Unternehmen gibt selbst an, ein „in der EU ansässiges und Regulierungen unterworfenes Unternehmen“ zu sein – eine Aussage, die deutlich macht, dass die EU-Mitgliedstaaten und -Institutionen trotz einer Reihe von Recherchen, wie dem „Pegasus-Projekt“ im Jahr 2021 nicht in der Lage waren, die immer größer werdende Reichweite dieser Überwachungsprodukte zu verhindern. 

„Die ‚Predator Files‘-Untersuchung zeigt, was wir schon lange befürchtet haben: dass hochgradig invasive Überwachungsprodukte in nahezu industriellem Ausmaß gehandelt werden und ohne Aufsicht oder echte Rechenschaftspflicht im Verborgenen agieren. Die Recherche weist einmal mehr nach, dass es den europäischen Ländern und Institutionen nicht gelingt, den Verkauf und die Weitergabe dieser Produkte wirksam zu regulieren“

Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International

Ruf nach Verbot von invasiver Spionagesoftware

„Unternehmen, die Überwachungstechnologie vertreiben und ihren Sitz in der EU haben und somit von der EU reguliert werden sollten, unterliegen den EU-Kontrollen im Rahmen der EU-Dual-Use-Verordnung, die Menschenrechtsverletzungen verhindern soll, indem sie Ausfuhrkontrollen für Überwachungstechnologien einführt, die von in der EU ansässigen Unternehmen exportiert werden. Wie die Recherchen von „Predator Files“ zeigen, sind die EU-Regulierungsbehörden nicht in der Lage oder nicht willens, die Ausfuhr von Spähsoftware zu kontrollieren und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Es gibt nur eine mögliche Schlussfolgerung: Angesichts der immer wieder nachgewiesenen Unwirksamkeit der Vorschriften muss der Einsatz von hochgradig invasiver Spionagesoftware wie Predator verboten werden.“ 

Monatelange Untersuchung durch mehr als ein Dutzend Medienorganisationen

Die einjährige Untersuchung wurde von European Investigative Collaborations (EIC), einem Zusammenschluss von mehr als einem Dutzend Medienorganisationen, durchgeführt und vom Security Lab von Amnesty International durch die Analyse der von EIC erhaltenen technischen Informationen unterstützt. Das Security Lab führte auch eigene, unabhängige Recherchen durch, die in den kommenden Tagen als Teil der ‚Predator Files‘-Untersuchung veröffentlicht werden. 

„Die ‚Predator Files‘-Untersuchung ist ebenso aufschlussreich und erschütternd wie das ‚Pegasus-Projekt‘, das ihr vorausging. Die Ergebnisse sind wohl noch schlimmer, da sich kaum etwas geändert hat. Überwachungsfirmen wie die Intellexa Alliance vertreiben weiterhin ihre Waren und machen Millionengewinne auf Kosten der Menschenrechte, und das fast völlig straffrei. Die Staaten der Europäischen Union müssen aufhören, sich ihrer Verantwortung zu entziehen und diese Unternehmen in die Schranken weisen“,

Donncha Ó Cearbhaill, Leiter des Security Lab von Amnesty International

Ein umfassender Bericht über die Ergebnisse des Security Lab von Amnesty International, „The Predator Files: Caught in the Net“, wird am 9. Oktober veröffentlicht. 

 

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