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Fallstudie – Konfliktberichterstattung

Erstellt am 16.11.2003 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde mal gelesen und am 05.05.2008 zuletzt geändert.

Im Folgendem soll in Anlehnung an Hafez/Strübel, 2003,
anhand der Konfliktberichterstattung über den Dritten Golfkrieg im Jahr 2003veranschaulicht werden, inwiefern bereits eine friedensjournalistische Grundhaltung in Meden zu beobachten ist. Hierbei werden Tendenzen der deutschen und amerikanischen Berichterstattung aufgezeigt. Im Anschluss erfolgt eine Betrachtung der Äußerungen von Journalisten und Friedenswissenschaftlern über die Berichterstattung in diesem Krieg.

Die Medien im Dritten Golfkrieg

Studien

Bisher gibt es laut Hafez/Strübel, 2003 erst wenige Studien über die Berichterstattung im Dritten Golfkrieg.

Fest steht

Die „embedded journalists“ waren eine Besonderheit dieses Krieges. Das US-Militär reagierte damit auf die Vorwürfe der Medienpoolverfahren von 1990/91 und gestattete ca. 500 Journalisten die Kampfhandlungen zu begleiten. Das Center for Excellence in Journalism der Columbia University hat 108 Fernsehberichte von „embedded reporters“, die während der Hauptnachrichtenzeit von wichtigsten US-Fernsehsendern gesendet wurden, ausgewertet.

Die Ergebnisse Studie

Sie sind kontrovers. Laut Studie:

  • transportierten diese Journalisten keine Meinungen oder Interpretationen der Geschehnisse im Irak.
  • Mehr als fünfzig Prozent der Berichte sind jedoch Berichte über kriegerische Handlungen bzw. deren Folgen.
  • Brutale Bilder des Krieges sind nicht zu sehen – es werden zwar in 21,5 Prozent der Berichte der Gebrauch von Waffen gezeigt, jedoch ist in keinem der Berichte zu sehen, wie Menschen zum Ziel dieser Waffen geworden sind.

Der große Mangel, den die Studie offenbare, sei dass sechzig Prozent der Berichte live gesendet wurden. Aus diesem Grund blieben die Berichte der Embedded Journalists oft unreflektiert und schafften es nicht, die Geschehnisse in einen Gesamtkontext zu stellen.

Studie des internationalen Forschungsinstituts „‚Medien Tenor‘

In Europa – besonders in Deutschland – habe während des Irak-Krieges eine sehr hohe
Selbstreflexion der Medien stattgefunden vgl. Stegers 2003. In der Berichterstattung sei besonders auffällig, dass Journalisten ständig betonten, dass ihre Informationen Teil von Propaganda sein könnten. Es wurde häufig geraten sie deshalb nur vorsichtig zu interpretieren.

Permanenter Zweifel als Grundtenor bei den meisten Jornalisten in Europa

„Es wurde ein permanenter Zweifel am eigenen Tun artikuliert. Beinahe 80 Prozent der Äußerungen der Fernseh-Moderatorin Anne Will (ARD)zwischen dem 20. März 2003 und 2.April 2003 in Bezug auf den Irak-Konflikt sind Vermutungen und Spekulationen über Hintergründe gewesen“ (Hafez/Strübel, 2003).

Unterstützung der Anti-Kriegs-Kurse europäischer Regierungen durch nationale Medien, habe jedoch auch zu kritischen Tendenzen geführt. „So spielte die Unterdrückung des irakischen Volkes durch das Regime Saddam Husseins eine sehr untergeordnete Rolle“. Zudem war die Kritik an Bush enorm und oft Thema der Berichterstattung. „Vor allen Dingen beim Sender RTL, bei dem dies 25,6 Prozent der Berichterstattung ausmachte“.

Ein friedensjournalistisches Arbeiten

Es würde hier anstreben, auch über die Greueltaten Husseins zu berichten. Dennoch sei laut Hafez/Strübel, 2003 hier anzumerken, dass in dieser Situation die „Bedrohung“ Saddams für die Welt bereits von anderen Medien so hochgeputscht worden war, dass dies eventuell als bewusste Entscheidung interpretiert werden könne. Interessant sei auch der Vergleich zwischen amerikanischen und deutschen Medien bezüglich der Darstellung von Opfern und Toten.

Die Berichterstattung von ARD und ABC im Vergleich

Während der deutsche Sender seinen Rezipienten zu 67,5 Prozent getötete Zivilisten, verletzte Kinder und Flüchtlinge zeigte, sahen amerikanische Zuschauernur zu 36,1 Prozent Opferbilder.

Friedensjournalistische Einschätzung derBerichterstattung der ABC

Die meisten Friedensjournalisten werden vermutlich ABC stark kritisieren und ihr Propagandatendenzen vorwerfen. Hier sei laut Hafez/Strübel, 2003 die Neigung wieder zu finden, die Kempf bereits thematisiert habe: „die natürliche Wahrnehmungsverzerrung“. Denn:

  • deutsche Medien, waren keine direkten Teilnehmer des Konfliktes. Sie konnten den Konflikt von außen relativ neutral betrachten.
  • amerikanische Medien neigten dazu die Opfer in der irakischen Bevölkerung weniger in die Berichterstattung aufzunehmen. (vgl. Szukula 2003, S. 25 – Die Originalstudie Berichterstattung über den Irak-Konflikt, April 2003; Internationales Forschungsinstitut Medien Tenor leider nicht verfügbar)

Beispiel: Die Berichterstattung vor und über den Irak-Krieg

Meinungen von Journalisten und Friedensforschern

Der Journalist und Pulitzer-Preisträger Peter Arnett

Er berichtete für aus dem Irak. Aufgrund dieser Erfahrung bemängelte er das Verhalten amerikanischer Medien bezüglich Friedensinitiativen. Laut Arnett werde der Kurs der US-Regierung durch die Medien nur wenig hinterfragt und kritisiert.

Während die Kriegsvorbereitungen stündlich über die Bildschirme flimmerten, hatten und haben es die Kriegsgegner dagegen ausgesprochen schwer, überhaupt ins Programm zu kommen.

Sie wurden in den USA „von den großen Networks und auch von vielen Printmedien schlicht ignoriert“.

Patriotismusdruck durch Bush traf auch die Medien

Seit dem 11. September gilt es in den USA als unpatriotisch, Bushs „Kampf gegen den Terror“; nicht zu unterstützen. Johann Galtung wirft in diesem Kontext der Konfliktberichterstattung im Irak-Krieg viele Versäumnisse vor. Er sieht die „embedded reporters“ als Gefahr für eine objektive Berichterstattung. Sie seien allzu oft aus ‚reinen Beobachtern Teilnehmer des Geschehens geworden‘. Galtung greit den Journalismus im Dritten Golfkrieg nicht pauschal an.

Gute Berichterstattung aus aus Friedensjournalistischer Sicht

Einige TV-Sender wie:

haben laut Galtung ihre Berichterstattung seit dem zweiten Golfkrieg (1991) stark verbessert. ‚Ich spüre viel mehr Selbstreflexion unter den Journalisten. Ich habe zum Beispiel niemals in meinem Leben so viele und gute Berichte über Friedensdemos gelesen, auch in amerikanischen Medien‘.

Christoph Maria Fröhder, – Auslandskorrespondent für die ARD in Bagdad

Er bemängelte ebenfalls das System der Embedded Journalists. „Er stellt diese Art der Berichterstattung in Frage, da diese Journalisten seines Erachtens keinen objektiven Journalismus leisten könnten“. Unabhängig berichten könne nur, wer ‚kritisch nach beiden Seiten gucke‘. „Das kann ich nicht, wenn ich eingebettet bin. Ich halte das, was einige Kollegen gemacht haben, für fatal: Sie sind mit den Militärs gereist, sie wurden von den Militärs verpflegt, sie haben mit denen gelebt“.
Keiner könne erzählen, dass er in so einer Situation noch ein unabhängiges Urteil fällen kann.

Ist Friedenjournalismus 2003 ‚ein utopisches Idealkonzept‘?

Die geforderten Kriterien von Friedensforschern und Friedensjournalisten an eine deeskalationsorientierte Berichterstattung darf man keinesfalls als fertige Richtlinien ansehen.

  • Jeder Konflikt hat seine eigenen Gegebenheiten.
  • Jeder Journalist hat andere äußere Bedingungen und ein anderes Selbstverständnis von Journalismus.

Es scheint allerdings sehr wichtig, dass die Verantwortung die dem Journalismus besonders in der Konfliktberichterstattung zukommt, noch stärker zu reflektieren und aufzuarbeiten.

Friedensjournalismus sollte genau wie der Frieden nicht als Zustand und damit als unerfüllbare Vision in weite Ferne rücken. Vielmehr ist ein Prozess zum Frieden ist auch in den Medien nötig. Schon kleine Ansätze können Veränderungen bewirken und auf eine umfassende Neukonzeption hinweisen.

„Erste Ansätze, bezogen auf die Berichterstattung über den Irak-Krieg, sind hier bereits erkennbar. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die kompetente Ausbildung von Journalisten für eine solche friedensorientierte Berichterstattung“.

Es gibt es die Möglichkeit von Journalistentrainings durch „Friedenforscher“ und „FriedensjournalistInnen“. Diese Trainings werden bereits von einigen Medien angeboten:

März 2003 bei der Deutschen Welle durch Martin Zint.

Das ist eine Entwicklung, die sehr zu begrüßen ist, da der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis offenbar sehr gut funktioniert.

Solche Trainings sollten „wiederholend angeboten werden, um ein konsequentes Umdenken und eine Sensibilisierung von Journalisten für eine nachhaltige Berichterstattung in den Köpfen zu verankern“.

‚Wenn Journalisten für sich in Anspruch nehmen, einen Beitrag zur Beendigung von Krieg und Gewalt leisten zu wollen, genügt es nicht, daß sie neutral bleiben, sondern sie müssen den Rahmen von Krieg und militärischer Logik verlassen und ihre Basis in der Logik der konstruktiven Transformation von Konflikten finden‘.

Journalisten vor großen Herausforderungen

Die Kriegspropaganda von Militärs und Regierungen arbeitet verstärkt mit Angstvorstellungen und Bedrohungsszenarien, die einen Krieg als scheinbar unausweichlich darstellen. Um dieser Tendenz entgegen zu wirken, kann Friedensjournalismus sehr wertvolle Impulse liefern.
‚Wenn langfristig eine diffuse Bedrohung‘ etwa durch Terrorismus ‚ entlang wechselnder politischer Opportunität flexibel in den Dienst von Politik, Militär und Wirtschaft wird, kann eine weltweite Interventionspolitik gegen jede politische Bewertung immun gemacht werden.

(Vgl. Bilke 2002, S. 50 56 Kempf 1998, S. 46 Szukula 2003, S. 54)

Quellen: „Rollen von Medien in Konflikten und
im Kampf gegen den Terror“

 

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