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Antirassismusarbeit bei der österreichischen Polizei notwendig

Erstellt am 09.04.2009 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde mal gelesen und am 10.04.2009 zuletzt geändert.

ZARA begrüßt den Fokus von ai auf den strukturellen Rassismus bei Polizei und Justiz in Österreich. Die Kritik an der mangelnden Datenlage sowie am „Schutzreflex“ der Polizei bei Rassismusvorwürfen bekräftigt ZARA. Es wird gefordert:

  1. Einrichtung von unabhängiger Behörde zur Untersuchung solcher Vorwürfe sowie
  2. Stärkung interkultureller Kompetenzen der PolizistInnen

ZARA begrüßt den Diskussionsbeitrag von amnesty international (ai) zum Thema „Rassimus in Polizei- und Justizsystem“ und dabei insbesondere den Fokus auf strukturellen Rassismus innerhalb dieser Institutionen.

ZARA bekräftigt die Kritik an der mangelnden Datenlage zu diesem Thema in Österreich. „Dabei geht es nicht darum, die Polizei in ein schlechtes Licht zu stellen, sondern darum, dass nur bei einer entsprechenden Datenlage auch Maßnahmen für jene Bereiche und Fälle erarbeitet werden können, wo es Probleme gibt“, unterstreicht Geschäftsführerin Barbara Liegl in diesem Zusammenhang.

Ebenso bestätigt ZARA die Kritik an dem von ai so bezeichneten „Schutzreflex“ der Polizei im Umgang mit Misshandlungsvorwürfen mit rassistischer Motivation. In diesem Zusammenhang erneuert ZARA die nachdrückliche Forderung nach einer unabhängigen und mit ausreichenden Ressourcen ausgestatteten Behörde zur Untersuchung dieser Vorwürfe, die weder bei der Polizei noch beim Innenministerium angesiedelt ist.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Nichtberücksichtigung von rassistischen Motiven bei der Untersuchung von Straftaten sowohl durch die Polizei als auch durch die Justiz. In beiden Institutionen müssten Maßnahmen gesetzt werden, um mehr Bewusstsein für das Aufdecken von rassistischen Motiven zu
schaffen. Dafür sind Schulungen für Polizei und Justiz nötig. Außerdem sollten die Vorlagen von Einvernahmeprotokollen der Polizei, die bei Gewaltdelikten verwendet werden, diesen Tatbestand bereits explizit anführen, damit er bei der Befragung Berücksichtigung findet.
ZARA schließt sich der positiven Bewertung von Programmen wie „Wien braucht Dich“ zur Anwerbung von PolizistInnen mit Migrationshintergrund an. Auch in der Polizei sollte sich – wie in jeder anderen
Institution – die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln. Die allein reicht aber nicht aus, um dafür Sorge  zu tragen, dass die Polizei interkulturell sensibel agiert. Daher fordert ZARA die Polizei dazu auf, die interkulturellen Kompetenzen aller (!) MitarbeiterInnen zu stärken, diese Aufgabe kann nicht allein den PolizistInnen mit Migrationshintergrund übertragen werden.
Wie die gesamte Gesellschaft ist auch die Polizei nicht vor Rassismus gefeit, daher bedarf es darüber hinaus Maßnahmen zur Vorbeugung von Rassismus innerhalb der Polizei. Auch müssen Strukturen geschaffen werden, damit BeamtInnen in dem Fall Unterstützung erhalten, dass sie selbst Opfer von
Rassismus werden. „In diesem Zusammenhang möchten wir auch an die Zivilcourage der BeamtInnen appellieren, falls Sie ZeugInnen solcher Handlungen gegenüber einem/r ihrer KollegInnen werden oder auch falls KollegInnen selbst rassistische Handlungen setzen“, fordert Liegl.
Auch die Rassismusbekämpfung sollte keinesfalls allein Aufgabe der PolizistInnen mit Migrationshintergrund sein. ZARA wehrt sich entschieden gegen den Zugang, Rassismus sei eine Angelegenheit der Opfer, die sich auch um dessen Bekämpfung zu kümmern hätten. Der Kampf gegen Rassismus gehe alle an.
„Immer wieder kommen Betroffene zu uns, die schildern, dass sie kontrolliert werden und gegen sie, wenn sie sich über etwaige rassistische Motive der Kontrolle beschweren oder rassistischen Aussagen von BeamtInnen entgegentreten und die Amtshandlung daraufhin eskaliert, der Vorwurf des
Widerstands gegen die Staatsgewalt erhoben wird“, berichtet Wolfgang Zimmer, Leiter der ZARABeratungsstelle von Opfer und ZeugInnen von Rassismus, von einem weiteren Problembereich. In der Verhandlung vor Gericht wird dann nicht mehr den Ursachen für die Eskalation nachgegangen. Ein Beispiel für diese Problematik ist der Fall 53 im Rassismus Report 2008 (siehe unten). „Wir würden uns wünschen, dass das Gericht diesen Aspekt berücksichtigt“, so Zimmer.

Fall 53 aus dem Rassismus Report 2008:

„Herr G. wurde in Nigeria geboren und lebt in Österreich. Im Mai landet er aus Barcelona kommend am Flughafen Wien-Schwechat. Nachdem er seinen Koffer vom Rollband genommen hat, geht er Richtung Ankunftshalle.

Plötzlich spricht ihn ein Mann an: „Hey N…[*], was hast du da in deinem Koffer?“ Herr G. ist sehr aufgebracht über den rassistischen Spruch und will von dem Mann wissen, warum er ihn auf diese Weise anspricht. Dieser gibt sich als Polizist zu erkennen, Herr G. sieht sich als Opfer einer rassistischen Kontrolle. Die Auseinandersetzung wird lauter, als plötzlich ein anderer Mann, ebenfalls ein Polizeibeamter in Zivil, seitlich auf Herrn G. zukommt und ihn zu Boden bringt.
Gemeinsam mit einem dritten Beamten werden Herrn G. die Arme am Rücken fixiert. Die Polizisten ersuchen eine Mitarbeiterin des nahen Informationsschalters um Verständigung ihrer uniformierten Kollegen, die kurze Zeit später eintreffen, um Herrn G. Handschellen anzulegen und ihn in einen Verhörraum zu bringen.
Herr G. wird des Drogenschmuggels verdächtigt. Sein Koffer wird gründlich untersucht und dabei völlig zerstört. Da in seinem Gepäck nichts gefunden werden kann, wird Herr G. in Handschellen in das Wiener Krankenhaus SMZ Ost gebracht. Ohne sein Einverständnis dazu einzuholen, wird ein Magen-Darm-Röntgen durchgeführt, das den Verdacht des Drogenschmuggels entkräftet. Herrn G. werden die Handschellen abgenommen, er darf gehen. Die Beamten kündigen jedoch an, dass er eine Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung erhalten werde, da er
die Beamten während seiner gewaltsamen Festnahme geschlagen und gekratzt habe. Die Polizisten kündigen an, dass Herr G. aufgrund der unausweichlichen Verurteilung seinen Job verlieren werde.
Herr G. wendet sich an ZARA und bekommt Unterstützung beim Antrag auf Verfahrenshilfe. Herrn G. wird ein erfahrener Strafverteidiger vermittelt. ZARA dokumentiert das Strafverfahren, das am Landesgericht Korneuburg durchgeführt wird.
Die Richterin befragt Herrn G. korrekt zum Vorfall, zeigt aber wenig Verständnis für dessen Reaktion auf die Kontrolle der Beamten. Die Polizisten sagen aus, dass es sich um eine Schwerpunktkontrolle
wegen Drogenschmuggels gehandelt habe. Die von Herrn G. gewählte Flugroute sei neben jener aus Amsterdam eine klassische Schmugglerroute. Die Beamten schildern, dass sie versuchen würden, verdächtige Personen anhand bestimmter Merkmale oder Verhaltensmuster zu erkennen. Verdächtig seien insbesondere Personen, die allein reisen, kurzfristig buchen, nur kleines Handgepäck mit sich führen, aber auch „Schwarzafrikaner“. Dies könne zwar als rassistisches Profiling (siehe „Glossar“ aufgefasst werden und werde den Beamten auch des Öfteren vorgeworfen, jedoch zeige ihre
Erfahrung, dass es immer wieder Bodypacker (Drogenschmuggler, welche die transportierte Ware z.B. in unverdaulichen Behältnissen schlucken) mit schwarzer Hautfarbe gäbe.
Das Verhalten von Herrn G., der sich der Kontrolle und der Verhaftung mit Gewalt widersetzen wollte, und der Umstand, dass er seinen Flug angeblich kurzfristig gebucht hatte, würden das Vorgehen der Polizisten rechtfertigen.

Der von Herrn G. erwähnte rassistische Ausspruch sei von keinem der
Beamten getätigt noch wahrgenommen worden.
Der Strafverteidiger von Herrn G. versucht vergeblich, Überwachungsaufnahmen vom Vorfallsort zu bekommen. Zunächst wird von der Flughafenpolizei abgestritten, dass dort überhaupt Aufnahmen
gemacht werden, später jedoch zugegeben, dass die Aufnahmen binnen kurzer Zeit gelöscht werden und somit dem Gericht nicht mehr vorgelegt werden können. Da Herr G. aufgrund der weitgehend deckungsgleichen Aussagen der Polizisten nicht beweisen kann, dass er sich der Festnahme nicht mit gezielter Gewalt entziehen wollte, wird er von der Richterin zu 6 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Sein Anwalt rät ihm, das Urteil zu akzeptieren, Herr G. tut dies.“
[*] Um Rassismen nicht zu reproduzieren, wird das N-Wort nur angedeutet,

Eingriffe in Zitate durch ZARA in diesem Sinne sind mit [*] gekennzeichnet.

Rückfragehinweis:
www.zara.or.at

 

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