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Kriegsberichterstattung und Friedensjournalismus

Erstellt am 30.07.2009 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde mal gelesen und am 30.07.2009 zuletzt geändert.

http://farm4.static.flickr.com/3657/3772016194_cd0dbbec98.jpgLivia Klingl

Menschen zwischen den Fronten

Verlag: St.Pölten,Wien, Linz; NP-Buchverl., 2002

Ich sage es ehrlich, Asche auf mein Haupt, dieses Buch hat mich sechs Jahre beschäftigt. Immer wieder wollte ich darüber schreiben und der Sache und der Autorin gerecht werden.  Die clevere Journalistin gab mir ihr Buch im Rahmen der Sommerakademie des Friedenszentrums in Schlaining. Seither schob ich die heikle Mission vor mir her. Ein Friedensjournalist zwischen den Fronten der grauen Theorie und der beklemmenden Praxis im glokalen Mediensystem.

Die Journalistin, über die der Klappentext des Buches reißerisch verkündet: >>Wenn andere davonlaufen, läuft sie hin. Wenn andere ihre Arbeit „erledigt“ haben, fängt ihre erst an. Livia Klingl ist Kriegsberichterstatterin<<. Sie war als Leiterin es Außenressorts des Kuriers 2003 auf das Podium geladen. Das abgründige Thema lautete:

Der ´permanente Krieg` in den Medien

Diskuskutiert wurde die Rolle der Medien

  1. vor dem Krieg,
  2. im Krieg und
  3. nach einem Krieg statt. 

Es nahmen auf dem Podium teil:

  1. Walter Feichtinger, Offizier und Konfliktforscher des Landesverteidigungsakademie Wien,
  2. Fritz Hausjell, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Wien,
  3. Livia Klingl (vom Wiener „Kurier“) und
  4. Cornelia Krebs (vom ORF, Journal Panorama).
  5. Die Leitung hatte Wolfgang Machreich, Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Die Furche“).

Über eine weitere Veranstaltung zum Thema „Medien und Krieg“ hielt  Heinz Loquai: „Medien als Weichensteller zum Krieg“ ein sehr aufschlussreiches Referat.

Livia Klingl, vertrat in dieser Diskussion die Meinung, dass man einen Krieg nicht gegen die Medien führen könne, sei für sie vollkommen falsch. Als amerikanischer Präsident könne man möglicherweise keinen Krieg gegen die amerikanischen Medien führen. Aber das sei noch nicht getestet worden, weil die amerikanischen Medien äußerst patriotisch agieren – spätestens im Krieg. Die Fernsehstationen und Zeitungen in Europa seien im Fall des Irak-Kriegs keineswegs kriegsgeil gewesen und dieser Krieg sei trotzdem geführt worden. … Die amerikanischen Medien hätten etwas gemacht, was sie für verboten halte. Sie hätten die „eingebetteten Journalisten“ erfunden.

Diese Kollegen sitzen in einem Panzer mit einer Handvoll Soldaten.
Sie spüren dieselbe Angst, sie schwitzen, sie langweilen sich genauso, die Journalisten teilen alle Gefühle, die auch die Soldaten haben.
Das führe natürlich zu einer unglaublichen Distanzlosigkeit und dem Gegenteil von Journalismus. …

Und dann bekommen drei Panzer, die im Sandsturm feststecken, eine Scheinbedeutung, die sie natürlich nie haben.  …

Dass Krieg ein Geschäft sei, das möge für amerikanische Fernsehstationen und Nachrichtenmagazine richtig sein. Für österreichische Zeitungen sei Krieg kein Geschäft. Krieg habe nur eine Faszination für ein paar Tage. Da steige die Auflage massiv. Und dann müsse man weiterhin intensiv berichten, um zu verhindern, dass die Auflage stark absacke. Aber es sei nicht mehr so wie vor ein paar Jahren, dass ein Krieg Zehntausende dazu bringe, eine Zeitung zu lesen. Das sei auch logisch, denn: Man habe heute Internet und 36 oder mehr Fernsehkanäle …

Klingl: Ich kenne keine österreichischen Journalisten, die permanent im Krieg sind. Ich bin fast immer die einzige gewesen, die irgendwo in Kriegsgebieten aufgetaucht ist. Die Medienlandschaft in Österreich kann es sich gar nicht leisten, Menschen vor Ort zu schicken. Das habe zur Folge, dass Kriegsjournalismus in Österreich darin bestehe, dass Leute den ganzen Tag die Erlebnisse und Informationen Dritter weitergeben.  …

Kriegsberichterstattung bestehe für Klingl keineswegs ausschließlich darin, dass man militärischen Ereignissen breiten Raum gäbe. Sonst brauche man sich ja nur die Pressekonferenzen der Militärsprecher anhören. Kriegsberichterstatter können sagen, schreiben, melden, dass sich die Leute im Kriegsgebiet fürchten. Als Kriegsberichterstatterin könne sie verschiedene Varianten dieser begründeten Angst beschreiben. Dann sei man weg von der Propaganda, die das Regime oder das Militär vorhabe. Dann sei man im wirklichen Kern jedes Krieges: bei den Opfern.

Klingl wisse zwar nicht, was „Friedensjournalismus“ sei. Sie wisse nur, dass Journalismus informieren solle. Für sie wäre Friedensjournalismus

  1. ein Journalismus der das Augenmerk auf jene lege, auf deren Rücken jeder Krieg geführt werde.
  2. Dazu müsse man aber vor Ort sein.

Diese zwei Kriterien sind natürlich auf den ersten Blick nachvollziehbar und attraktiv. Aber schon Kant und Adorno haben deutlich vorgeführt, dass man oft wesentlich mehr erkennt, wenn man in Ruhe zu Hause nachdenkt was andere berichten und schreiben. Joris Luyendijk hat 2007 in „ Wie im echten Leben, Von Bildern und Lügen in Zeiten des Krieges die Arbeit der rasenden Reporter vor Ort mehr als entzaubert. Vor Ort zu sein und die Perspektive der Opfer einzunehmen sind notwendige aber lange nicht hinreichende Bedingungen für hochqualitativen Friedensjournalismus.

Der Klappentext des Buches:

„Mit Mitgefühl und Anteilnahme, doch unsentimental, sarkastisch und mit trockenem Humor, aber ohne zu denunzieren erzählt Livia Klingl von den Menschen zwischen den Fronten: den Regisseuren und den Handlangern, den Mitläufern, vor allem aber von den Opfern des Krieges und der Unterdrückung. Aus den dürren Fakten der Nachrichten werden Schicksale lebendig, aus den Statistiken wachsen Gesichter. Livia Klingl zwingt uns, wieder hinzusehen, wo wir längst schon gleichgültig geworden sind – und sie erzählt von Lebensmut, vom Trotzdem im Angesicht der Katastrophe.“

Klingl weiß hoffentlich inzwischen genauer was Friedensjournalismus ist aber möglicher Weise ist es für JournalistInnen gar nicht klug offen eine friedensjournalistische Schreibe über Krieg zu vertreten, denn nach meiner Erfahrung ist außerhalb der Mauern von Burg Schlaining Friedensjournalismus in Österreichs Redaktionen ein Ladenhüter und Gewalt und Krieg sind immer noch die Aufhänger für das Massenpublikum in staatlichen und privaten Medien.

Kriegsberichterstattung

Der Begriff Kriegsberichterstattung bezeichnet – laut Wikipedia, der freien Enzyklopädie – die journalistische Berichterstattung in den Massenmedien über einen Krieg. Dazu gehöre sowohl

  1. die Berichterstattung über die politischen und militärischen Kriegsereignisse an sich, als auch
  2. Hintergrundberichte zu diplomatischen, wirtschaftlichen und humanitären Themen.

Friedensjournalismus

Der Begriff Friedensjournalismus wurde im deutschsprachigen Raum erstmals nachweisbar von Alfred Hermann Fried, einem Vertreter des Pazifismus, 1901 in der Publikation „Unter der Weißen Fahne – Aus der Mappe eines Friedensjournalisten“ verwendet. Heute steht der Begriff international für den Ansatz des norwegischen Friedensforschers Johan Galtung, der analog auch von „Kriegsjournalismus“ spricht. Galtung versteht unter Friedensjournalismus eine kritische Berichterstattung aus Kriegsgebieten, die nicht die Sichtweise des Militärs übernimmt und sich für den Frieden einsetzt. Dieser Friedensjournalismus Begriff leitet sich aus der Friedensforschung und Medienkritik ab und nicht aus dem tradierten Journalismus i. e. S. Er ist für die meisten Journalismusforscher und Journalisten keine Analogie zu Begriffen wie „Medizinjournalismus“ oder „Kulturjournalismus“.

Conclusio

Ich habe nun im Sommerloch 2009 ein System gefunden wie ich mit den Ambivalenzen zu Klingls schaffen leben kann. Ich stelle ihr Buch im Regal neben Joris Luyendijk, 2007,
Wie im echten Leben, Von Bildern und Lügen in Zeiten des Krieges
, Hardcover, Tropen Verlag. Ich empfehle auch die Lektüre von Nadine Bilkes alter Publikation zum Thema Friedensjournalismus – wie Medien deekalierend berichten können.

 

Posted in Friedensjournalismus, Friedensorganisation, Rezension

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