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Wiener Gold für vertrieben Friedensforscher

Erstellt am 12.12.2012 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 11374 mal gelesen und am 13.12.2012 zuletzt geändert.

"Ein hervorragender Sozialwissenschafter, Friedensforscher und Aktivist"Herbert C. Kelman ist 1927 im Wien geboren und musste als Bub mit seinen Eltern vor den Nazis nach New York flüchten. In den USA schaffte er es zur Professur in der Harvard Universität. Er gilt als einer der wichtigsten Köpfe der modernen Friedensforschung nach 1945. Spät aber nicht zu spät erhielt er heute im Wappensaal des Wiener Rathauses in festlichem Rahmen die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold.

Bild: Alex Halada / PID

Die Wiener Rathauskorrespondenz meldete:

Herbert C. Kelman ist ein hervorragender Sozialwissenschafter, dem wir völlig neue Ansätze in der Konfliktforschung verdanken. Er ist aber weit mehr als ein Gelehrter: Nämlich immer auch Friedensforscher und Friedensaktivist, der sich für das Miteinander der Völker und der sozialen Schichten engagiert hat.“, so Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny bei der heutigen Verleihung der Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold an Herbert C. Kelman.

Laudator Wolfgang Petritsch, der als Diplomat auf formeller Ebene um Ausgleich bemüht ist, betonte den besonderen Charakter dieser Ehrung, da sie nicht dem Wissenschafter, sondern dem Individuum, dem Menschen Herbert Kelman gelte, der mit großem Respekt und Empathie Andersdenkenden begegne. Es ginge darum, die Welt mit den Augen des jeweils anderen zu sehen. Respekt und Empathie strich Petritsch in diesem Zusammenhang als einzige Lösung hervor.

Kelman ist zwar Zionist trat aber schon als 18-jähriger für die Kooperation aller Volksgruppen in Israel und Palestina ein. Das ist eine Haltung die zur Zeit noch nicht breitenwirksam ist in den Konflikten im Nahen Osten.

Herb_C_Kelman Vienna 2012Kelman und Wien

Der geehrte Herbert C. Kelman bezeichnete Wien als seine „Geburtsstadt aus der ich vertrieben wurde, die mich aber später mit weiten Armen wieder aufgenommen hat. Dafür möchte ich mich bedanken.“ Kelman beschrieb in seiner Beziehung zu Wien das Jahr 1994 als Wendepunkt, als er als Gastprofessor an die WU eingeladen wurde. Seither fühle er sich hier wieder wohl und sei auch oft privat in der Stadt um im Theater Nestroy-Inszenierungen oder jüdische Stücke zu besuchen, die heute wieder gespielt werden können: „Ich habe somit von meiner Wiener Bürgerschaft wieder Besitz ergriffen und mit der Verleihung dieser Auszeichnung schließt sich der Kreis endgültig“, so Kelman in seiner Dankesrede.

Die gebrochene Kette der jüdischen Friedensdenker in Wien

Im Anschluss an die Ehrung konnte ich beim Festessen im Cafe Landtmann mit Professor Kelman und seiner Frau sprechen. Interessant war, das Kelman den Wiener Friedensnobelpreisträger Fried bis heute nicht kannte nur Bertha von Suttner. Über sie habe ihn seine Frau Rose ins Bild gesetzt. Die wichtigsten mir bekannten jüdischen Wiener Friedensdenker Fried, Broch, Moreno, Kelman wurde von den Nationalsozialisten effektiv isoliert. Das ist schade, weil gerade Frieds Ideen zur internationalen Kooperatin in Europa bei allen Mängeln der Praxis der EU eher gefruchtet haben als alle Modelle im Nahen Osten.  Ein Prozess der stufenweisen wirtschaftlichen Integration wie in Europa, wie sie Fried, Myrdal, Tinbergen vorgedacht haben, wäre einen Versuch wert. Die deutsch-französische Feindschaft wurde so zur deutsch-französischen Freundschaft und zum Motor der Integration in Europa. Heute klingt eine israel-palestinensische Freundschaft als Motor der Integration mit friedlichen Mitteln utopisch. Kelman steht für einen Zionismus der eine Brücke zu A.H. Frieds Internationalismus als Grundlage von Integration schaffen könnte. Der Nationalismus muss in Nah-Ost einer Gemeinschaft werden und dann zu einer Union.

Herbert C. Kelman: Die Biografie eines Pioniers

Herbert C. Kelman wurde am 18. März 1927 als Sohn jüdischer Eltern in Wien geboren. Er lebte einige Zeit in der Brigittenau und dann im III. Bezirk. Sein Vater und sein Onkel betrieben ein Geschäft für Seide und Spitzen am heutigen Franz-Josepfs-Kai. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und dem „Anschluss“ Österreichs musste er als Schulkind seine Heimat verlassen. Er emigrierte 1939 über Antwerpen in Belgien in die USA (1940). In New York beendete er seine sekundäre Ausbildung und besuchte 1943 bis 1947 das Brooklyn College sowie das Seminary College of Jewish Studies. An der renommierten Yale University sowie an der University of Michigan nahm er im Anschluss das Studium der Psychologie mit dem Schwerpunkt Sozialpsychologie auf, das er 1951 mit der Promotion zum Ph.D. abschloss. Ergänzend absolvierte er postgraduale Ausbildungen in Psychotherapie und Psychoanlayse.

Seine berufliche Laufbahn begann der gebürtige Österreicher als

  • Forschungsassistent am Psychology Department der Yale University (1947 bis 1951) worauf
  • Forschungsstellen u. a. an der Johns Hopkins University (Baltimore) folgten.
  • 1957 wurde er Vortragender für Sozialpsychologie am Departement for Social Relations der Harvard University.
  • 1960/61 folgte ein Forschungsaufenthalt in Oslo,
  • 1962 die Berufung als Professor für Psychologie an die University of Michigan.
  • Seit 1968 ist Kelman als Professor für Sozialethik am Department of Psychology an der Harvard University verankert (seit 2004 Emeritus). Daneben bekleidete er zahlreiche Gastprofessuren in den USA, in Europa und im Nahen Osten.
  • 1994 lehrte er an der Wirtschaftsuniversität Wien. Zu dieser Zeit sagte Kelman in einem Interview: „Ich wundere mich nicht nur darüber, wieviel von Wien in mir noch lebendig ist, sondern auch, wieviel von mir selbst noch in Wien ist.“ (FAZ, 18.3.1997).

Kelman gilt als

  • einer der herausragenden Sozialpsychologen auf dem Feld der Konfliktforschung und ist 
  • Pionier in der Entwicklung informeller Ansätze zur Lösung internationaler Konflikte.

Seit vielen Jahren befasst sich Kelman mit der Entwicklung interaktiver Methoden, die er für die Lösung menschlicher Konflikte fruchtbar macht. Hauptanwendungsfeld der Methoden des „strategischen Optimisten“ war und ist israelisch-palästinensische Konflikt, für den er einen eigenen Ansatz entwickelt hat. Er wurde von ihm und seinen Schülern in über 80 „Lösungs-Workshops erprobt, verfeinert und für unterschiedliche Szenarien weiterentwickelt. Dieses Konfliktlösungskonzept wird in der Fachwelt als bahnbrechend für alle Vorgehensweisen eingestuft, die die Mikroebene der persönlichen Kommunikation über individuelle Bedürfnisse und Befürchtungen, Gefühle und Ideen mit der Makroebene der gesellschaftlichen Veränderungen verbindet.

Kelman scheute sich nicht, jenseits seiner wissenschaftlichen Tätigkeiten politisch Stellung zu beziehen. In den 1950er und 1960er Jahren war er in der US-Bürgerrechts- und Anti-Kriegs-Bewegung bezüglich Südkorea und Vietnam aktiv. In den 1980er Jahren wirkte Kelman maßgeblich daran mit, dass es zu Gesprächen Israels mit der PLO kam. Es selbst hatte PLO-Chef Arafat 1980 und 1981 besucht und dessen Politikfähigkeit hervorgehoben.

Bildergallerie :
www.wien.gv.at/gallery2/rk/run.php?g2_itemId=20605
www.wien.gv.at/gallery2/rk/run.php?g2_itemId=20608

Links

http://www.wien.gv.at/rk/msg/2012/12/12014.html

 

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