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Offener Brief von Dr. Steinweg an Kanzler Kurz zu Lesbos

Erstellt am 14.12.2020 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 10968 mal gelesen und am 14.12.2020 zuletzt geändert.

Reiner Steinweg Urgestein der Friedensforschung im deutschsprachigen Raum, Herausgeber der Friedensanalysen im Suhrkampverlag … ist als ehemaliger Flüchtling erschüttert über die Lage der Kinder und Familien im Lager Kara Tepe auf Lesbos. „Viele Kinder sind schwer traumatisiert, nicht wenige denken inzwischen an Selbstmord (Kinder unter zwölf!).“

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kurz, 

ich schreibe Ihnen diesen Offenen Brief, weil ich tief erschüttert bin über den Bericht der Psychologin Glatz-Bruback, die im Lager Kara Tepe auf Lesbos vor allem mit den Kindern arbeitet. Er wurde am Donnerstag, den 10.11.2020 in den 7:00 Uhr-Nachrichten auf Ö1 gesendet. Viele Kinder sind schwer traumatisiert, nicht wenige denken inzwischen an Selbstmord (Kinder unter zwölf!). Sie müssen derzeit oft in nasser Kleidung schlafen, weil sie ja irgendwann auf die Toilette müssen  –  die es noch immer nicht gibt, und leiden entsprechend unter Hautkrankheiten. Es gibt keine warmen Mahlzeiten. Obwohl Schulbesuch in Europa Pflicht ist, gibt es keine Zelte, in denen Schule stattfinden könnte  –  oder sonst irgend eine Art von Kinderbetreuung. Das Lager mit beinah 8.000 Menschen, darunter viele, denen bereits Asyl gewährt  wurde, steht derzeit unter Wasser. 

Von den 400 Zelten, die die Bundesregierung für dieses Lager nach Athen geschickt hat, wurden bis jetzt ganze 25 aufgestellt, und zwar an der windigsten Stelle dieses in einer Sturmschneise gelegenen Lagers, an die niemand gehen will. Eine Mitarbeiterin der Caritas OÖ. die kürzlich auf Lesbos war, hat mir berichtet, dass in einem Lager in der Nachbarschaft 30-40 Container leer stehen. Außerdem stehen jetzt sämtliche Hotels auf der Insel leer. 

Ich war 1945 selbst ein sechsjähriges Flüchtlingskind. Ich kann fühlen, wie diesen Kindern zumute sein muss. Uns Nazikindern wurde im Vergleich damit geradezu großzügig geholfen! 

Ich bitte Sie, erbarmen Sie sich: Stellen Sie die Mittel zur Verfügung, damit das Lager geräumt, zumindest aber die Familien mit Kindern in trockene Unterkünfte gebracht werden können, und setzen Sie sich bei der griechischen Regierung dafür ein, dass sie dafür die Erlaubnis erteilt, nicht in drei Monaten, sondern jetzt! 

Mit freundlichen Grüßen 

(Reiner Steinweg) 

Dr. Reiner Steinweg 

Panholzerweg 26/12 

A-4030 Linz / Donau 

Tel. 0043-699-12 729 114 

reinerg.steinweg@liwest.at

www.reinersteinweg.info

 

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