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Warum Österreich echte geschlechtssensible Gewaltprävention und Friedenspädagogik nach dem Amoklauf von Graz endlich ernst nehmen muss

Erstellt am 11.06.2025 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 225 mal gelesen und am 11.06.2025 zuletzt geändert.

Graz 2025 – Ein tödlicher Hilfeschrei: Ein Weckruf mit Schrotflinte und Pistole

Burschen (Jungs) und Männer die österreichische Schulen absolviert haben ermorden Frauen, laufen Amok in Schulen und am Arbeitsplatz, begehen oder versuchen Terroranschläge in Österreich.

Gestern sterben zehn Menschen , elf werden körperlich verletzt, ein Gymnasium in Graz wird psycho-traumatisch verletzt. Trauma, Verletzung, nationale und internationale Retraumatisierungsgefahr über Medien. Wieder trifft es eine Schule. Wieder war der Täter ein junger Mann, der sich vielleicht als Mobbingopfer sah oder dessen narzistische Störung in Amok und Selbstmord endete. Wieder einmal reagiert die Öffentlichkeit sofort mit verständlicher Betroffenheit – und die Politik mit Beileidsbekundungen und überlegungen zur mehr Repression. Die schnelle Polizei wird gelobt. Doch wer nur auf Cobra-Einsätze und Sicherheitskräfte setzt, ignoriert die Ursachen: psychische Verwahrlosung, Traumatisierung, fehlende Perspektiven. Die Schule von Graz schreit nicht nach mehr Polizei – sie schreit endlich nach echter Gewaltprävention Friedenspädagogik.


Was wir wissen – und was wir wissen sollten

Der Amoklauf in Graz am 10. Juni 2025 ist der tödlichste in der Geschichte der Zweiten Republik. Der Täter: Artur A., 21 Jahre, ehemaliger Schüler. Er hinterließ eine Video-Botschaft, in der er sich angeblich als langjähriges Mobbingopfer beschrieb. Seine Waffen besaß er legal. Innerhalb von Minuten tötete er zehn Menschen davon 7 Weibliche, zuletzt sich selbst. Doch was führte zu dieser Eskalation?

Mehr Cobra = weniger Prävention?

Die österreichische Reaktion auf Jugendgewalt ist seit Jahrzehnten vorhersehbar: mehr Polizei, mehr Kameras, mehr Sicherheitskräfte. Doch Repression verhindert keine Gewalt – sie reagiert erst, wenn es längst zu spät ist. Im schlimmsten Fall beginnt dort die nächste Radikalisierung: Wer als jugendlicher Gewalttäter im Gefängnis landet, lernt dort oft erst, wie Gewalt funktioniert.

Die Geschichte wiederholt sich: Hitler schrieb „Mein Kampf“ in Haft. Der Preis dieser Ignoranz?
Für einen einzelnen jungen Mann mit Gewaltkarriere zahlt die Gesellschaft über sein Leben hinweg zwischen 4 und 5 Millionen Euro – ohne Erfolgsgarantie.


Was gefehlt hat – und was seit 2006 möglich gewesen wäre

Von 2007 bis 2019 habe ich mit dem ZIMD in Wien, Linz und Graz systematische Gewaltprävention mit dem Projekt „Anders Cool“ umgesetzt:

  • Zielgruppe: Jungs von 6–16 Jahren
  • Zielsetzung: Positive Männlichkeit, gewaltfreie Konfliktlösung, Resilienz
  • Umsetzung: Hunderte Workshops, Dozententätigkeit an PHs, Trainings im AMS-Bereich
  • Kosten: – Wien ab 2006: ca. 80.000 € jährlich – Graz: ca. 15.000 € jährlich – Linz: ca. 10.000 € jährlich

Inflationsbereinigt (2025–2030):

  • Wien: ca. 110.000–125.000 €
  • Graz: ca. 20.000–25.000 €
  • Linz: ca. 14.000–16.000 €

Mit dieser Summe hätte man über Jahre hinweg alle Schulstandorte mit friedenspädagogischen Trainings versorgen können – flächendeckend. Doch das politische Klima bevorzugt Symbolpolitik.


Was die Regierung tat – und wieder vergaß

Nach den Anschlägen in Paris (2015) reagierte die rot-schwarze Regierung (Kern/Mitterlehner) mit einem Extremismuspräventionsbudget von 1 Mio. € pro Jahr – ein erster Hoffnungsschimmer.

Doch die Regierung Kurz/Kickl strich diese Mittel wieder.

Die Koalition Nehammer/Kogler brauchte bis 2022, um nach dem Terroranschlag in Wien 2020 wieder tätig zu werden. Zu spät für viele.


Österreichs strukturelles Defizit: Generationentrauma + Wegsehen

Die Ursache liegt tiefer. Österreich ist ein kriegstraumatisiertes Land. Der Erste Weltkrieg, der Nationalsozialismus, Flucht und Vertreibung – all das lebt weiter in den Körpern, Familien und Bildungseinrichtungen. Dazu kommen neue Fluchtbewegungen seit 1945 – und eine Politik, die keine Vision für positiven Frieden hat.

Statt nachhaltige soziale Sicherheit aufzubauen, spielt man Sicherheitsstaat. Statt in Schulsozialarbeit zu investieren, subventioniert man Hochsicherheitszäune. Doch die Seele heilt nicht durch Stahl.


Was endlich angesagt wäre: Nachhaltig finanzierte Gewaltprävention und Friedenspädagogik als Verfassungsziel

Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel:

  • Gewaltprävention und Friedensbildung gehören in die Verfassung – genauso wie Klimaschutz.
  • Nachhaltige Finanzierung: mit Generationenblick statt Legislaturdenken.
  • Rechtsanspruch auf psychosoziale Unterstützung für Kinder und Jugendliche.
  • Verbindliche Standards für Friedenspädagogik und Genderkompetenz an allen Schulen.
  • Evaluation der Kosten von Gewalt ist klar und stehen in einem schreiden Verhältnis zu den Kosten der primäre, sekundärer und tertiärer Prävention.

Gedenken allein rettet keine Leben – politische Reife tut es

Staatstrauer ist richtig. Betroffenheit ist menschlich. Aber das reicht nicht.

Prävention ist keine Spende an jahrelang in präkären verhältnissen gehaltenen oder ruinierten NGOs, sondern ein Akt staatlicher Verantwortung.

Wenn wir nicht wollen, dass Graz 2025 zum Auftakt einer neuen nachhaltige Amokwelle wird, dann braucht es mehr als mehr Cobra und Bubenüberwachung.

Dann braucht es Mut zur Veränderung. Systemisch, menschlich, demokratisch.

Videos zur Thema Gewaltprävention bei Jungen und Männern


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