UNO am Abgrund – also wir alle!

Was Czempiel schon vor 30 Jahren wusste: Eine Reform der UNO im Sinne Czempiels, Kants und der Menschheit ist überfällig
Ernst-Otto Czempiel (* 22. Mai 1927 – † 11. Februar 2017 in Berlin 1]) war bis zu seinem Tod einer der profiliertesten Friedensforscher Deutschlands und ein herausragender Vordenker für die Reform der Vereinten Nationen. Ich habe den heute vor 98 Jahren geborenen vor mehr als 20 Jahren auf der Sommerakademie in der Friedensburg Schlaining persönlich kennengelernt. Sein scharfer Verstand, seine diplomatische Wortwahl („Sicherheit“ statt „Frieden“) und seine realpolitische Friedensstrategie haben mich nachhaltig beeindruckt.
Heute, 2025, inmitten der von Trump ausgelösten größten Krise der internationalen Ordnung seit Bestehen der UNO, ist sein Klassiker „Die Reform der UNO“ aktueller denn je. Das Buch, das ich vermutlich seit 1996 besitze, ruft mit Nachdruck zur Überwindung des Veto-Blocks, zur Demokratisierung der Weltorganisation und zur institutionellen Stärkung der Friedensfunktionen der UNO auf. Wie Immanuel Kants Entwurf Zum ewigen Frieden warten Czempiels Vorschläge noch immer auf politische Umsetzung.
Ein Friedensnews-Manifest 2025 zur Überfälligen Reform der UNO
1. Abschaffung oder Einschränkung des Vetorechts im Sicherheitsrat
Das Vetoreechts blockiert seit Jahrzehnten Resolutionen zu den dringendsten Konflikten (z. B. Syrien, Ukraine, Israel/Palästina). Reformvorschläge: Einschränkung des Vetorechts bei Massenverbrechen (Genozid, Kriegsverbrechen), automatische Aussetzung bei Interessenkonflikten.
2. Demokratisierung der Generalversammlung
Czempiel forderte ein stärkeres Gewicht für eine demokratisch legitimierte Weltbürgerkammer oder eine „Parlamentarische Versammlung bei der UNO“. Auch NGOs sollen eine stärkere Rolle im Entscheidungsprozess erhalten.
3. Friedenssicherung durch Stärkung des UN-Generalsekretariats
Die Exekutivfunktion des UNO-Generalsekretariats muss gestärkt werden. Friedensmissionen benötigen ein festes Mandat, ausreichende Mittel und eine dauerhafte Eingreiftruppe unter UN-Kommando.
4. Ausbau von Konfliktprävention und zivilen Instrumenten
Frühwarnsysteme, Mediation, Peacebuilding und internationale Friedensbildung sollten ein eigenständiges Ressort erhalten – ausgestattet mit eigenem Budget und Stimmrecht.
5. Faire Repräsentation im Sicherheitsrat
Mehr Sitze für den Globalen Süden, insbesondere Afrika, Lateinamerika und Südasien. Kein Staat soll auf Dauer ein Privileg behalten.
6. Finanzierung der UNO auf solidarischer und stabiler Basis
Czempiel und andere forderten eine unabhängige Finanzierung durch globale Abgaben (z. B. auf Finanztransaktionen, Emissionen, Rüstungsexporte) statt willkürlicher nationaler Beitragszahlungen.
7. Völkerrecht vor Machtpolitik
Ein reformiertes System internationaler Gerichtsbarkeit und eine Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) sind zentrale Bausteine globaler Friedenssicherung.
Wissenschaftliche und politische Debatte zur UNO-Reform seit 1996 (Auswahl)
- Ernst-Otto Czempiel: „Die Reform der UNO. Notwendig und möglich.“ (Suhrkamp, 1994; Neuauflage 2000)
- Boutros Boutros-Ghali: An Agenda for Peace (1992), An Agenda for Democratization (1996)
- Kofi Annan: In Larger Freedom (2005) – Bericht zur umfassenden Reform der Vereinten Nationen
- Panel on Threats, Challenges and Change (2004): „A More Secure World: Our Shared Responsibility“
- Global Policy Forum: zahlreiche kritische Analysen und Vorschläge zur UN-Reform: https://www.globalpolicy.org
- UN 2020 & Stimson Center: UN75: A Global Governance Innovation Report (2020)
- Academic Council on the United Nations System (ACUNS): https://acuns.org
Schlussgedanke
Die UNO wurde 1945 als Hoffnungsträger einer neuen Weltordnung geboren. 80 Jahre später steht sie vor einer Zerreißprobe. Wenn wir Czempiels Visionen nicht aufgreifen, könnte die Menschheit die Chance auf eine gerechte, multilaterale Zukunft verspielen.
Es ist Zeit, die Reform der UNO nicht nur zu denken, sondern zu verwirklichen.
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