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Gewaltfreier Frieden in Afrika

Erstellt am 08.08.2003 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde mal gelesen und am 20.04.2009 zuletzt geändert.

Interview

Die Wienerin Hildegard Goss-Mayr ist die Ehrenpräsidentin des Internationalen Ver-söhnungsbundes. Dieser Bund ist die heute wohl wichtigste ökumenische Friedensorganisation im Rahmen der österreichischen Friedensbewegung die auf Basis der Gewaltfreiheit handelt. Ende April 2003 lag Afrika, der konfliktträch-tigste Kontinent der Erde, im medialen Schatten des Irakkrieges. Das Gespräch in Wien Hernals ist, nach den jüngsten, hauptsächtlich militärisch dotierten, ÇFriedensplänení der Großmächte und Bushís Reisen in Afrika hochaktuell.

Wann waren Sie das erste Mal in Afrika?

In Afrika habe ich in einigen begrenzten frankophonen Regionen gearbeitet, denn Madagaskar bezeichnet sich nicht als ÇAfrikaí.

Die Arbeit, die ich seit 1992 im Rahmen des internationalen Versöhnungsbundes in Afrika geleistet habe, bezieht sich haupt-sächlich auf ÇSeminare zur Schulung der gewaltfreien Überwindung von Unrechtssituationení. Da der Versöhnungsbund diese Arbeit seit vielen Jahren tut, werden wir von Gruppen die sich gegen Unrecht stellen wollen, die nicht die nicht den Weg der Gewalt beschreiten wollen, für die Erarbeitung von Schulungen angefragt. Dabei gehen wir immer von der Lage vor Ort aus. Wir schauen auf die, bereits in diesen Volksgruppen vorhanden, Erfahrungen mit Gewaltfreiheit. Es ist mir sehr wesentlich darauf aufzubauen – auch, wenn die das in ihrer Tradition nicht so benannt haben. Wir versuchen, eine Art Hebammendienst zu leisten. Gewisse Konzepte sind bereits bewusst, die entwickeln wir weiter.

Wie geeignet sind diese Ansätze für Zentralafrika?

1993 waren wir in Ruanda- eingeladen von kirchlichen Gruppe, Justicia et Pax, einer Kommission, die die sich für die Arbeit an der Gerechtigkeit und Gewaltfreiheit einsetzt. Es gab also bereits Erfahrungen. So kamen wir zu dem Schluss, dass ein großangelegter öffentlicher Versuch ge-macht werden müsste, um die ethnischen Schranken zwischen Hutu und Tutsi zu durchbrechen.

Wir haben gemeinsam für den 1. Januar 1994 eine Veranstaltung im Stadion von Kigali geplant. Man präsentierte dort, wie Martin Luther King, den Traum von Ge-rechtigkeit. Dadurch war irgendwie ein großer Anfang gemacht – aber in Ruanda kamen wir zu spät.

Wir waren später noch ein paar mal in Ruanda. Die Arbeit wird zur Zeit fortgeführt, von einer Gruppe, die eine Zeitschrift für Gewaltfreiheit herausgibt ñ der Titel: ÑDer Preis der für den Frieden zu bezahlen istì. Es gibt auch ein Buch, das in der ganzen Region Verbreitung findet. Der Titel lautet: Aktive Gewalt-freiheit wagen ñ Eine Kraft im Dienst des Friedens

Gibt es bekannte Köpfe in der gewaltfreien Bewegung Ruandas?

Ja, beispielsweise Alfred BOUR, den Her-ausgeber des genannten Buches. Das das Internet in Ruanda kaum funktioniert, ist dieses pädagogische Handbuch, in Französisch, für die Schulung in Gewaltfreiheit, mit seinen afrikanischen Beispielen und in einer einfachen Sprache, sehr wichtig. Es werden, immer wieder Teile daraus übersetzt und herausgegeben – beispielsweise in Kirundi .

Gibt es auch afrikanische Ansprechpartner direkt in Ruanda?

Ja, zum Beispiel, das Team, das die Zeitschrift herausgibt. Da ist Bour nur mehr Berater. Die haben eher eine Teamarbeit; Sozialarbeiter und Leute, die sich für eine Versöhnung einsetzen. Sie wollen auch einen Beitrag zur Demokratisierung leisten. Ein Kurs läuft auch immer an der Universität.

Es wir noch eine Generation, oder noch mehr, brauchen bis in Ruanda Versöhnung möglich ist.

FURCHE:
Ich habe gelesen, dass in Ruanda über christliche Sender Hass geschürt wurde?

GM:
Das kann man nicht so sagen, denn es war ja der Staat in Händen einer Diktatur, die diesen Rassenhass betrieben hat ñ die gesamten Programme waren in diese Richtung. Die Haltung der Christen war sehr unterschiedlich. Es kann schon sein, dass sich manche einfangen ließen. Wo die Armut ist, da spielt die Bestechung eine große Rolle. Andererseits, hat es gerade auch von christlicher Seite Gruppen gege-ben, die Widerstand gegen den Hass leisteten.

Ruanda, ein Beispiel, wo gewaltfreier Wi-derstand nicht allzu erfolgreich war.
Sie haben vor allem erfolgreich auf den Phillipinen und in Madgaskar gearbeitet. Dort gelang es, die Diktaturen gewaltfrei zu beenden.

In Ruanda wäre es nicht unmöglich gewesen. Wir sind zu spät gekommen. Gewaltfreier Widerstand muss systematisch aufgebaut werden. Das war, vier Monate vor dem Genozid, nicht mehr möglich.

Madagaskar war eine andere Situation. Dort blieben die Ereignisse der Phillipinen, wo ein Volk fähig war, aufzustehen und gegen eine Diktatur gewaltfreien Wider-stand zu leisten, nicht ohne Wirkung. Mein Mann und ich haben dort mitgeholfen Leute zu schulen die den Widerstand geleistet haben. Die haben dann darüber gesprochen. Was in Afrika in verschiedenen Ländern auf großes Interesse stieß. Der Benediktiner, Paul-Alfons Ravoavy, aus Madagaskar hörte einen Vortrag von uns in Frankreich. Er sagte: Was die konnten auf den Phillipinen, das müssen wir auch können.

In Madagaskar berichtete er davon. Dann hat sich die Justitia et Pax Kommission in Verbindung gesetzt mit den sogenannten ÑForce Viveì. Das ist der Zusammen-schluss aller Kräfte, die Widerstand leisten wollten; politische Gruppen, Parteien ñ die wohl nicht zugelassen waren ñ soziale Gruppen und religiöse Gruppen eben.

Wir haben ihnen Material zur Schulung in Gewaltfreiheit gegeben. Der spätere Leiter Force Vive, der Chriurg Zafy, hat sich be-reit erklärt einen gewaltfreien Widerstand aufzubauen. Das war 1991. Wir haben Seminare abgehalten mit dieser Grup-pierung. Im Mai 1991 haben die Force Vive einen Generalstreik ausgerufen. Ab diesem Zeitpunkt wuchs die Kapazität sich zu organisieren. Es gab in Massendemonstrationen in der Haupstadt Antananarivo aber auch in anderen Städten. Organisiert wurde der Widerstand in Berufsverbänden. Zum Beispiel, Bankangestellten oder Eisenbahner, Beamte. Das waren ja alle Staatsbetriebe.

Der Generalsstreik wurde sechs Monate lang druchgehalten. Man kann sich vorstellen welchen Preis die Bevölkerung bezahlt hat bei der großen Armut.

Es braucht immer eine äußere Strategie und eine innere Energie, eine innere Überzeugung – dass dieser Weg überhaupt in einer Diktatur möglich ist. Das haben die christlichen Gruppen geleistet. Es wurde versucht, dass die die Kirchen sich hinter die Bewegung stellen ñ wie auf den Phillipinen. Es gibt in Madagaskar einen ökumenischen Rat der Kirchen (FFKM), der hat die Vermittlerarbeit übernommen.

Der Diktator, Didier Ratsiraka, gab znächst nicht nach. Die Diktatur wurde von Frankreich unterstützt. Madagaskar war eine französische Kolonie. Frankreich hatte politisches Gewicht. Nach etwa vier Monaten gab es einen Hinweis, dass der Diktator bereit ist, mit dem Volk zu ver-handeln.

Aufgrund dieser Hoffnung zog 10. August eine halbe Million Menschen zu Fuß zum Palast des Diktators, etwa 15 Kilometer außerhalb der Stadt. Sie sangen und tanzten, mit sehr viel Kreativität – wie in den Phillipien. Sie wollten Verhandlungen und einen Demokratisierungsprozess er-bitten.

Etwa zwei Kilometer vor dem Palast wurde, von der Privatgarde des Diktators, auf die Bevölkerung geschossen. Als ich im Oktober dort war waren noch im Ver-letzte in den Spitäler, denen in den Rücken geschossen wurde.

Es war eine Krise ñ können wir das gewaltfrei weiterführen? In dieser Si-tuation hat sich der ökomenische Kirchenrat (FFKM) als Vermittler angeboten und wurde akzeptiert. Er hat erreicht, dass zwei Monate später, der Wunsch der Demonstraten angenommen wurde.

Ich habe damals ein bisschen mitgeholfen. Zum Beispiel, habe ich sehr lange mit dem Verteidigungsminister, einenem evangeli-schen Christen, gesprochen. Ich habe ihm vorgeschlagen in die Gesichte des Volkes als ein ÇHeroí einzugehen, als eine geachtete Person. Er müsse nur der Armee verbieten, auf die Bevölkerung zu schließen. Das war ein sehr gutes und in die Tiefe gehendes Gespräch. Es ist so gelungen, den Demokratisierungsprozess in Gang zu setzen. Präsident wurde Zafy, der die ÇForce Viveí geleitet hatte. Er hatte zu wenig politische Erfahrung. Die Opposition hatte unter der Diktatur sehr wenig Möglichkeit sich auf die Verantwor-tung vorzubereiten. So kam der Diktator 1997 wieder an die Macht. Erst 2001/2002 gab es Wahlen, zur neuerlichen Bidlung einer demokratischen Regierung, wo sich sich ein befähigter Mann der Wahl stellen konnte. Marc Ravalomanana gewann die Wahl, aber nach Korruption und Wahlschwindel, behauptete der frühere Diktator, er habe die Wahl gewonnen. Es kam dann nochmals zu einem sehr erbitterten gewaltfreien Widerstand. Auch die internationale Staatengemeinschaft half dieses mal.

Wie lange war die Vorlaufzeit für den gewaltfreien Widerstand auf den Phillipinen? In Madagaskar waren es ja anscheinend nur einige Monate?

In Madagaskar war das schon länger. Denn die Force Vive hatten, unter den ganz schwierigen Bedingungen, wichtige Vor-arbeiten geleistet.

Das war zwei Jahre vorher. Sie haben kirchliche Veranstaltungen benützt, um sich zu artikulieren, den Zusammenschluss zu organisieren und eine verantwortliche Leitungsstruktur zu erarbeiten.

In Madgaskar hat sich der Widerstand in einer längeren Zeit formiert. Er ist aber erst knapp vor Beginn des Widerstandes geschult worden in Gewaltfreiheit. Auf den Phillipien waren wir eineinhalb Jahre vor der sogenannten Rosenkranzrevolution eingeladen.

Wir haben vier Wochen lang die Situation gekennengelernt und studiert, sind gereist, um zu erfahren, ob die Menschen wirklich eine gewaltfreien Widerstand wollen? Es gab ja eine Guerillabewegung, die keinen anderen Weg sah als die Gewalt.

Wir sprachen mit den verschieden Trägern der Bevölkerung.

Das Erfolgsmuster des gewaltfreien Wi-derstandes scheint immer gleich zu sein?

Ja ich glaube, das nur Menschen an uns herantreten, die in schweren Konfliktsitua-tionen auf gewaltfreie Arbeit setzen.

In der demokratischen Republik Kongo im früheren Zaire hat der Versöhnungsbund eine lange Tradition. Der Kongo war lange belgische Kolonie und ein Mitarbeiter des belgischen Versöhnungsbundes hat mitgeholfen bei der Entkolonialisierung. Jean Van Lierde hat schon Patrice Lumumba in gewaltfreiheit geschult hat. Das war schon die erste Begegnung, die erste Hilfe die geleistet werden konnte. Die zweite war dann später. Mein Mann wurde 86 und 89 eingeladen im damaligen Zaire unter Mobutu. Diese Leute haben viel gewagt. Aus diesem verschieden Seminaren haben sich Gruppen gebildet.

Bei einem der frankophonen Gipfel die jährlich stattfinden wurde erklärt, dass Frankreich die die Demokratisierungsbe-wegungen in Afrika unterstützen würde. Daraufhin wurden in verschieden Staaten die sogenannten … durchgeführt. Sie haben ähnlich wie bei den Force Vive alle Kräfte des Widerstandes, der Demokratie zusammengebracht. Im damaligen Zaire wurde auch eine solche Konferenz abgehalten und es wurden Demokratisierungsschritte beschlossen. Aber Mobuto hat ich nicht daran gehalten. Daraufhin wurde von jenen Gruppen, die von meinem Mann in Leben gerufen wurden am 16.2.1992 einen ÑMarsch für Frieden und Hoffnungì in der Hauptstadt in Kinshasa durchgeführt. Da sind tausende Leute aus den Kirchen auf einen öffentlichen Platz und haben dort demonstriert. Einer der leitende Kräfte dieser Bewegung hat gesagt: Heute ist das neue Zaire geboren, weil die Menschen den Mut hatten sich auf der Straße dafür zu bekennen. Jean Goss hat dann in einem anderem Gebiet des Zaire, der heuten De-mokratischen Republik Kongo gearbeitet in Luvumbashi. Das liegt in einem der an Grundstoffen reichsten Gebiete. Vorallem Kupfer und Kobald und Coltan einem Me-tall das besonders gebraucht wird in Akkus von Handys. Der ganze Norden des Kongo wurde besetzt, mit Unterstützung …
Dabei sind … Millionen Menschen ums Leben gekommen … schwer eine … U in gekommen und sind auch abgeschlossen worden aber die Durchsetzung liegt noch … in Luvumbaschi war er wurde durchgeführt von einer Gruppe die auch mein Mann ins Leben gerufen hat. die seit 13 Jahr ständig gewaltfreien Widerstand leistet. Ein Beispiel war meiner Meinung nach ganz wichtig für ihre Erfahrungen. In Luvumbashi wird Kupfer abgebaut. In den 90er Jahren ist der Kupferabbau zusammengebrochen. Die Leute die von anderen Provinzen nach Katanga und vor allem auch nach Luvumbashi gekommen waren sollten vertrieben werde. Der Governeur hat befürchtet, dass es zu großen Massakern kommt.

Die Gruppe Gan, eine gewaltfreie Gruppe mit Mitgliedern aus beiden Ethnien um-fasste zu den Führern der christlichen und moslemischen Religionen gegangen und hat gesagt: ÇSie müssen Stellung nehmen, öffentlichí ñ eine interreligiöse Demonstration. Die Leute sind dort alle gläubig. Sie sollten sagen, dass das Leben jedes Menschen heilig ist . Dass Allah der Gütige, das genauso verlangt wie der Gott der Christen, dass dieses Grundrecht auf Leben gesichert werden muss. Es gelang ihnen die Kirchenführung und auch die Verwaltung zu überzeugen ñ dort wo die religiösen Führer das ganz eindeutig ausgesprochen hatten und Töten und Massaker verurteilt haben.

Durch diese moralische Unterstützung sind dann die Leute der gewaltfreien Bewegung ñ die ja ja am verhungern waren, weil sie keine Arbeit mehr hatten ñ auf brachliegendes Land in einem gewaltfreien Marsch in einem Außenbezirk der Stadt gezogen. Sie haben dieses Gelände besetzt. Dort waren zwar Militärs stationiert aber die Soldaten sind Söhne armer Leute und wissen was der Hunger ist. Sie haben mit denen verhandelt und gesagt, wir müssen dieses Land bebauen, damit die Menschen überleben können. Die haben dann nachgegeben und die Leute aus den beiden ethnischen Gruppen haben begonnen das Land zu bebauen. Dieses Land ist sehr fruchtbar und man kann dreimal im Jahr ernten. In zwei drei Monaten ist Gemüse uns so weiter zu ernten. Sie haben in dieser gemeinsamen Arbeit den künstlich erzeugten Rassenhaß zum Abbruch gebracht. In der ganzen Region kam es zu keinen Massakern.

Heute wenn sie nach Luvumbashi kommen ist eine grüner Gürtel, wo auch Lehrer nach ihrer Arbeit das Land bebauen und Hasen und Hühner züchten. Die größte Hungernot konnte in Luvumbashi besser abgefangen werden wie in anderen Regio-nen. Ein anderen Einsatz hinter dem sie jetzt stehen ist die Tatsache, dass seit etwa fünf Jahren für alle Schulen Schulgeld eingehoben wird. Das bedeutet dass in einer Schule in einem Armenviertel von Luvumbashi die 4000 Schüler hatte jetzt nur mehr 400 Schüler zu finden sind. Die Leute haben nicht das Geld das Schulgeld zu bezahlen. Der Zaire hatte die Charta für Menschenrechte unterschieben gemäß der jedem Kind der freie Zugang zur Grundschule zusteht.

Sie berufen sich auf dieses internationale Recht und versuchen durchzusetzen, dass die Grundschule wieder frei zugänglich wird. Es ist sehr schwierig das durchzu-bringen. Sie haben eine Analyse gemacht, dass 70 Prozent der Kinder in den Elends-vierteln nicht in die Schule gehen können. Das bedeutet, dass meistens höchstens ein Kind und meistens ist das der älteste Sohn in die Schule gehen kann. Die Analphabe-ten haben keinen Lebenschancen.

Das ist ein kleiner Beitrag zur inneren Versöhnung des Kongo von einer kleinen Gruppe mit vielleicht 100 Mitgliedern.

Das Gespräch führte Andreas Landl – Friedensjournalist

 

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