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Deutschland will im Krieg um Rohstoffe wieder Militär

Erstellt am 02.05.2006 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde mal gelesen und am 11.07.2008 zuletzt geändert.

BERLIN (Laut Greenhouse 25.04.2006) – Wenige Wochen vor der Entsendung von Bundeswehr-Einheiten in die Demokratische Republik Kongo fordern deutsche Wirtschaftsverbände eine politische Strategie zur
Sicherung der deutschen Rohstoffzufuhr und schließen dabei kriegerische
Gewalt nicht aus. Der Kongo sei das wichtigste Fördergebiet für Kobalt
und damit für die deutsche Industrie von herausragender Bedeutung,
erklärte der Präsident der „Wirtschaftsvereinigung Metalle“, Karl Heinz
Dörner, Ende März auf einer hochkarätig besetzten Konferenz in Berlin.
Dörner leitet die Präsidialgruppe „Internationale Rohstofffragen“ des
Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), die bis März 2007 eine
rohstoffwirtschaftliche Gesamtstrategie erarbeiten will und dabei eng
mit militärpolitischen Institutionen der Bundesregierung kooperiert. Um
sich gegenüber der internationalen Konkurrenz auf den
Weltrohstoffmärkten durchzusetzen, ziehen die deutschen Strategen
ausdrücklich auch Mittel des Krieges und der Subversion in
„Risikogebieten“ in Betracht.

Unberechenbar

Die Präsidialgruppe „Internationale Rohstofffragen“ wurde 2005 im
Anschluss an einen Kongress zum Thema „Rohstoffsicherheit –
Herausforderung für die Industrie“ vom BDI ins Leben gerufen.[1] Sie
wird von den führenden deutschen Wirtschaftsverbänden getragen [2] und
veranstaltete Ende März dieses Jahres unter dem Motto „Für eine sichere
Rohstoffversorgung“ ihre erste Fachtagung. Analog dem Energiegipfel von
Anfang April dieses Jahres ging es um die Frage, wie „die Verfügbarkeit
von Rohstoffen in ausreichender Menge und Qualität und zu bezahlbaren
Preisen“ für die „hochgradig rohstoffabhängige deutsche Industrie“
langfristig sichergestellt werden kann.[3] In seiner Grundsatzrede
erklärte der Leiter der BDI-Präsidialgruppe, Karl Heinz Dörner, dass
die regionale Konzentration der weltweiten Rohstoffvorkommen erhebliche
„geostrategische Risiken“ berge. Dies gelte insbesondere dann, wenn
Ressourcen von „unberechenbaren politischen Regimes“ kontrolliert
würden. Explizit nannte Dörner in diesem Zusammenhang Kasachstan, das
„weltweit (…) zweitwichtigste Lieferland für Chrom“ [4], und die
Demokratische Republik Kongo, „die wichtigste Förderregion für Kobalt“.
In dortige Rohstoff-Streitigkeiten ist das Bundeswirtschaftsministerium
unmittelbar involviert.[5]

Importsicherung

An der hochkarätig besetzten Konferenz nahm wie bereits am
Rohstoffkongress des vergangenen Jahres auch Rudolf Adam von der
Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) [6] teil. Der Präsident
der führenden wirtschafts- und militärpolitischen Schaltstelle der
Bundesregierung kritisiert deutsche Politiker, weil sie sich seiner
Ansicht nach hauptsächlich für die Förderung des Exports deutscher
Industrieprodukte engagieren und zu wenig für die Sicherung des Imports
strategischer Rohstoffe.[7] Demgegenüber will Adam nicht nur
„militärische Kräfte“ einsetzen, „um bestimmte Handelsrouten
freizuhalten“, sondern auch direkt Einfluss auf die politische
Situation in den Ländern der Rohstofflieferanten nehmen. Der
BAKS-Präsident verlangt, sich von den „alten herrschenden Eliten“ zu
lösen und „neue nachwachsende Gruppierungen“ unter deutschem Einfluss
aufzubauen.[8]

Zielgebiete

Ebenfalls bei der Fachtagung im März anwesend war Markus Wagner,
Referatsleiter Rohstoffwirtschaft der Bundesanstalt für
Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Die BGR wurde in den 1950er
Jahren vom Bundeswirtschaftsministerium gegründet, um Bundesministerien
und deutsche Unternehmen in geowissenschaftlichen und
rohstoffwirtschaftlichen Fragen zu beraten. Mit Hilfe elektronischer
Datenbanken werden Informationen über die weltweiten Rohstoffvorkommen
sowie deren Erschließungs- und Ausbeutungsmodalitäten gesammelt und
ausgewertet. Dies ermöglicht es deutschen Firmen, sich jederzeit
kurzfristig umfassende Kenntnisse über „attraktive Rohstoffprojekte und
potentielle Zielgebiete für Explorationsaktivitäten“ zu verschaffen.[9]

Gemeinsam

Mit dem BDI ist sich die Bundesregierung dabei einig, dass die Gewinne
aus der Ausbeutung, dem Verkauf und der Weiterverarbeitung von
Rohstoffen privaten Unternehmen zugute kommen müssen: Es sei „im
marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftssystem Deutschlands“
vorrangig Aufgabe der Industrie, die „langfristige Sicherung der
Versorgung mit Rohstoffen“ zu bewerkstelligen.[10] Allerdings bedürften
entsprechende Bemühungen der politischen Flankierung durch staatliche
Institutionen. Deshalb müssten Unternehmen und Staat gemeinsam eine
„zukunftsfähige Rohstoffstrategie“ entwerfen.[11] Das
Bundeswirtschaftsministerium hat bereits letztes Jahr einen „Bericht
zur aktuellen rohstoffwirtschaftlichen Situation und zu möglichen
rohstoffpolitischen Handlungsoptionen“ herausgegeben und will die
weltweite Ausbeutung von Rohstoffen durch deutsche Unternehmen mit
einem umfangreichen Maßnahmenpaket unterstützen. Es beinhaltet die
Vergabe von Finanzgarantien und Bürgschaften [12] an rohstofffördernde
Firmen ebenso wie die „Verbesserung des Investitionsklimas in
Rohstoffförderländern durch Förderung der politischen Stabilität“.[13]
Damit werden im regierungsamtlichen Sprachgebrauch auch politische
Subversion und militärische Gewaltoperationen bezeichnet.

Alle Möglichkeiten

Gegen wen sich die gemeinsame Rohstoffstrategie vorrangig richten wird,
ist offenbar bereits ausgemacht. So heißt es, insbesondere die
Volksrepublik China verursache durch ihren „Rohstoffhunger“ [14] einen
regelrechten „Staubsaugereffekt“ auf dem Weltmarkt [15], während sich
das Land gleichzeitig durch Exportbeschränkungen, Preisfestsetzungen,
Steuersubventionen und Importzölle vor dem ausländischen Zugriff auf
die eigenen Ressourcen schütze. Um diesen „Wettbewerbsverzerrungen“
entgegenzuwirken, empfehlen die Berliner Geostrategen aus Politik und
Wirtschaft, „alle Möglichkeiten des politischen Drucks“ auf Beijing
„auszuschöpfen“.[16]

[1] s. dazu Rohstoffkongress

[2] Beteiligt sind die Verbände der Deutschen Automobilindustrie, der
Deutschen Entsorgungswirtschaft, der Chemischen Industrie, der
Verbundunternehmen und der regionalen Energieversorger in Deutschland
sowie die Wirtschaftsvereinigungen „Bergbau“, „Metalle“ und „Stahl“
nebst den Wirtschaftsverbänden „Erdöl- und Erdgasgewinnung“ sowie
„Stahl- und Metallverarbeitung“.

[3] BDI: Rohstoffpolitik strategisch ausrichten, Pressemitteilung des BDI v. 30.03.2006

[4] Dr. Karl Heinz Dörner: Für eine sichere Rohstoffversorgung, Rede
gehalten auf der Fachtagung „Verfügbarkeit von Rohstoffen“ der
BDI-Präsidialgruppe „Internationale Rohstofffragen“, Berlin,
30.03.2006. Zu Kasachstan s. auch Energiepolitisches Gesamtkonzept

[5] s. dazu „Erdöl, Kobalt, Coltan“
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/33988
Kriegsressourcen (I)
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56284
und Kriegsressourcen (II)
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56291
sowie Kriegsressourcen (III)
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56293

[6] s. dazu Hintergrundbericht: Bundesakademie für Sicherheitspolitik
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/41932

[7] Krieg um die Rohstoffe; Wirtschaftswoche 10/2005

[8] Der globale Kampf um Ressourcen; Deutschlandfunk 04.01.2006

[9] Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit/Projektgruppe
Rohstoffe: Bericht zur aktuellen rohstoffwirtschaftlichen Situation und
zu möglichen rohstoffpolitischen Handlungsoptionen, Berlin 12.07.2005,
S. 37f. Zur BGR s. auch Im Vorfeld der deutschen Industrie
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/51765

[10] ebd., S. 6

[11] www.bdi-online.de/de/fachabteilungen/start_Aussenwirtschaftspolitik.htm

[12] s. dazu Kein Fall für Berlin
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56135

[13] Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit/Projektgruppe
Rohstoffe: Bericht zur aktuellen rohstoffwirtschaftlichen Situation und
zu möglichen rohstoffpolitischen Handlungsoptionen, Berlin 12.07.2005,
S. 44

[14] Dr. Karl Heinz Dörner: Für eine sichere Rohstoffversorgung, Rede
gehalten auf der Fachtagung „Verfügbarkeit von Rohstoffen“ der
BDI-Präsidialgruppe „Internationale Rohstofffragen“, Berlin, 30.03.2006

[15] Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit/Projektgruppe
Rohstoffe: Bericht zur aktuellen rohstoffwirtschaftlichen Situation und
zu möglichen rohstoffpolitischen Handlungsoptionen, Berlin 12.07.2005,
S. 16

[16] ebd., S. 41

 

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