friedensnews.at
Stellt die Friedensfragen!

Offener Brief der Friedenswerkstatt an Nationalrat

Erstellt am 02.02.2008 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde mal gelesen und am 21.04.2008 zuletzt geändert.

Werkstatt Frieden&Solidarität
Waltherstr. 15
4020 Linz

An die
PräsidentInnen im Österreichischen Nationalrat
Fr. Mag. Barbara Prammer, Hr. Dr. Michael Spindelegger, Fr. Mag. Eva Glawischnig

Linz, 1. Februar 2008

Offener Brief
zur Terminiserung der Beschlußfassung des EU-„Reformvertrages“ im österreichischen Nationalrat – Verhindern Sie einen Schnellschuß zu Lasten der Demokratie in Österreich!

Sehr geehrte Präsidentinnen,
Sehr geehrter Präsident,

mit großem Interesse haben wir die Debatte um die Terminiserung des Ratifikationsprozesses des sogenannten EU-„Reformvertrages“ („Lissaboner Vertrag“) im Nationalrat verfolgt. Wie Sie wissen, entwickelt sich zur Zeit eine lebhafte Diskussion in der österreichischen Bevölkerung über die Frage der Durchführung einer Volksabstimmung über den EU-„Reformvertrag“. Uns erreichen viele Botschaften von Menschen, die die Forderung nach einer Volksabstimmung mit der Hoffnung verknüpfen, dass dann zumindest über diesen alle Lebensbereiche der Menschen betreffenden Vertrag ordentlich informiert werden müsste. Die von der Bundesregierung versprochene Informationsoffensive läuft nach wie vor auf Sparflamme. Viele Menschen, die sie erreicht hat, indem sie sie gesucht haben, beschreiben sie als Verkündigung von Überschriften, die sich bei näherer Betrachtung als Halbwahrheiten, teilweise sogar als bewusste Lügen entlarven. Menschen, die sich bei den sogenannten „Europainformationsbüros“ Abhilfe erwarten, wird dort kaltblütig mitgeteilt: eine konsolidierte Version des Vertrags werde erst nach dessen Ratifikation aufgelegt.

Es gibt keinen Grund zur Eile. Fast noch das ganze Jahr 2008 steht laut EU-offiziellem Zeitplan für den Ratifikationsprozeß zur Verfügung. Wenn Sie bei der Terminplanung diesen Zeitraum nutzen, geben Sie nicht nur der Regierung Zeit, die Menschen darüber zu informieren, warum sie diesen Vertrag als Erfolg auf der Habenseite ihrer Bilanz verbuchen wollen. Sie geben vielen Menschen die Chance, sich selbst noch mit dem Vertrag auseinanderzusetzen. All jene, die eine Volksabstimmung fordern, erhalten die Möglichkeit ihre Argumente in eine breite öffentliche Debatte einzubringen.

Über 40 Organisationen und Initiativen haben sich in der Plattform „Volxabstimmung über den EU-Reformvertrag in Österreich“ zusammengeschlossen. Täglich schließen sich weitere Menschen deren Aktivitäten an. Die Plattform Volxabstimmung wird in jedem Fall, alle Möglichkeiten nutzen, um über den Vertrag zu informieren und in öffentlichen Manifestationen ihr Recht auf Durchführung einer Volksabstimmung einzufordern. Diese Menschen, bereit sich zu engagieren, müssen ermutigt werden. Jetzt einfach drüberzufahren, wird nur das Misstrauen in die politischen Institutionen weiter vertiefen, Frustration und Argwohn verbreiten.

Im bei der jüngsten Konferenz der Plattform in Linz beschlossenen Aufruf für gemeinsame Aktionen zur Durchsetzung einer Volksabstimmung heißt es: „Kein Argument wird dadurch richtig, indem es verheimlicht und die öffentliche Debatte verweigert wird und indem die Regierungen den Vertrag mit Täuschung anstatt mit Überzeugung durchzusetzen versuchen. Die Menschen werden nicht vergessen, dass ihnen ihr Recht, über ihre eigene Zukunft mitzubestimmen, vorenthalten wird, wenn jetzt dieser Vertrag im Parlament einfach durchgewunken wird.“

Auf keinen Fall darf die Beschlußfassung vor der Abhaltung bereits angesetzterVolksentscheide durchgeführt werden, von wem immer sie initiiert sind. Instrumente der direkten Demokratie gehören nicht denjenigen, die sie eingeleitet haben, sondern jenen Menschen, mit deren Unterstützung sie auf die Tagesordnung gesetzt wurden. In Oberösterreich konnte im Zusammenhang mit dem Teilbörsegang der Energie AG ein derartiger demokratiepolitischer Amoklauf in letzter Minute gestoppt werden. Auch Erich Haider, Landeshauptmann-Stv. und Vorsitzender der SPÖ OÖ betonte vor kurzem:

„Wir müssen den Mut haben, die Menschen umfassend zu informieren und sich dann ihrem Votum zu stellen!“ (aus: Kronenzeitung, 8.12.2007)

Machen Sie gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern den Ratifikationsprozess zu einem Beweis lebendigen Parlamentarismus. Entlasten Sie Ihr eigenes Haus vom Vorwurf, eine der Willkür unterworfenen Abstimmungsmaschinerie zu sein, der das Ansehen und damit die Nachhaltigkeit der Gesetzgebung insgesamt untergräbt. Machen Sie den Fahrplan über die Ratifikation des EU-Reformvertrags, zu einem Fahrplan für die breite Einbeziehung der Menschen in die Diskussion der Zukunft Österreichs in Europa.

Mit freundlichen Grüßen

Boris Lechthaler, Vorsitzender Werkstatt Frieden&Solidarität

 

Posted in Friedensbewegung, Österreich


(comments are closed).